Frösche, die quaken, töten nicht: Roman (German Edition)
will. Die
führen etwas im Schilde, das merke ich. Still, lassen Sie uns beobachten«, forderte
er Liv auf.
Zwei Männer
in weißen Kitteln folgten einer Frau im hellgrauen Kostüm. Sie ging ihnen strammen
Schrittes voraus. Alle drei verschwanden mit einer Mitarbeiterin, die sie an der
Tür abholte.
»Da stimmt
etwas nicht, glauben Sie mir. Lassen Sie uns noch etwas verweilen«, bat Karl von
Schenck.
Liv nahm
sich gerne die Zeit an der frischen Luft.
»Haben Sie
noch Weiteres von Düsseldorf gesehen? Waren Sie schon im Heinrich-Heine-Institut?«
»Oh ja«,
schwärmte von Schenck, »äußerst interessant. Leider reichte meine Zeit nicht aus,
alles zu studieren. Ich könnte Wochen darin zubringen. Die wissenschaftliche Aufarbeitung
der Texte dieses Poeten ist beeindruckend dargestellt. Und heute Abend besuche ich
das Schauspielhaus, gespielt wird Artur Schnitzlers ›Professor Bernhardi‹. Und anschließend
speise ich im Victorian an der Kö. Ich hörte, dort lässt es sich vortrefflich genießen.«
»Vortrefflich
und für mich unerschwinglich«, bemerkte Liv ohne Neid. »Ihr Abendprogramm ist gut
ausgewählt. Einen Tipp gebe ich Ihnen: Beachten Sie nach der Vorstellung noch die
Beleuchtung des Schauspielhauses. Dieses orangefarbene Farbspiel um das geschwungene
weiße Gebäude ist an sich bereits Kunst pur.«
Liv hielt
den Zeigefinger vor ihre Lippen und deutete auf den kleinen Teich rechts von ihnen.
Dort lag ein Entenpaar auf der Wiese und sonnte sich. Beide hatten sie ihren Schnabel
rücklings im Gefieder versteckt. So schliefen sie, die Augen geschlossen.
»Sollen
wir den Lieferanten hinterhergehen?«, flüsterte Liv.
»Nein, die
Tür ist nur mit einer Codenummer zu öffnen. Wir müssten klingeln und uns anmelden,
dann wäre die Tarnung futsch«, sprach von Schenck wie ein erfahrener Detektiv.
Also warteten
sie weiter. Liv beobachtete die Enten, die sich nicht gestört zu fühlen schienen.
Die Entendame öffnete lediglich ein Auge, um die Lage abzuschätzen und dann weiterzuschlafen.
»Wieso gelten
eigentlich die Erpel als das schönere Geschlecht unter den Enten?«, eröffnete Liv
den Gedankenaustausch mit von Schenck. »Im direkten Vergleich kann ich das nicht
finden. Gut, er fällt mit seinen leuchtenden, grüngold glänzenden Federn und den
zwei im Kringel nach oben gerichteten Schwanzfedern auf den ersten Blick mehr auf.
Aber sehen Sie sich ihr Gefieder an. Es weist bei genauem Hinsehen ein sehr filigranes
Federgeflecht aus den unterschiedlichsten Mustern und Brauntönen auf. Ich finde
sie eindeutig schöner. Was meinen Sie?«
»Ich gebe
Ihnen recht, auf den zweiten Blick ist die Schönheit der Entendame bemerkenswerter.
Die meisten Menschen finden die Erpel schöner, weil sie sich nicht mehr die Zeit
nehmen, zweimal hinzuschauen. Mit dem Geschmack ist das ähnlich wie mit der Wahrheit,
es ist beides sehr subjektiv. Aber still.« Er stoppte Liv, indem er seine Hand auf
ihren Arm legte.
»Sie kommen
zurück.« Die beiden weiß gekleideten Männer stützten eine langsam gehende Frau.
Ihr Oberkörper lehnte sich nach hinten. Dem wirkten die Männer mit starkem Griff
entgegen, denn an ihrem Schritt in Richtung Auto änderte sich nichts. Es war offensichtlich,
sie stieg nicht gerne ein, sagte nichts, starrte nur vor sich hin.
»Das ist
ja Anuschka«, erklärte Liv erstaunt und setzte sich senkrecht auf. »Diesmal heult
sie ja gar nicht.«
»Erkennen
Sie den toten Blick? Sie hat keine Tränen mehr«, bemerkte von Schenck. Hinter ihnen
gingen die Frau im Kostüm und Maria Overbeck. Sie zog auch einen großen Koffer auf
Rollen, den die beiden Männer ins Auto reichten. Sie verabschiedete die Frau im
Kostüm mit Handschlag, winkte Anuschka und rief: »Bis bald. Du wirst sehen, es wird
dir bald wieder besser gehen.«
Maria Overbeck
schaute dem Auto kurz nach, bis es um die Kurve gefahren war, blickte in den Himmel,
sog tief Luft in sich hinein, ließ die warmen Sonnenstrahlen auf ihrem Lächeln wirken
und genoss wenige Minuten, so verweilend. Sie schien erleichtert, wäre gern noch
geblieben. Widerwillig, mit verschränkten Armen ging sie in den Hauseingang zurück,
tippte die Codenummer ein und verschwand.
»Anuschka,
die Vertraute des toten Seniors. Sie hätte ich gerne gesprochen. Sie wusste eine
Menge«, mutmaßte Liv.
»Vielleicht
wusste sie zu viel. Deswegen musste sie nun von Sohn und Tochter des Toten klammheimlich
über den Hintereingang in eine geschlossene Anstalt oder Ähnliches
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