Frösche, die quaken, töten nicht: Roman (German Edition)
abgeschoben werden«,
überlegte von Schenck.
Sie sahen
sich ernsten Blickes an. »Heute Abend, wenn Sie sich im Gourmet- und Sternerestaurant
Victorian kulinarischen Genüssen hingeben, bin ich mit den Geschwistern zum Abendessen
im Restaurant verabredet. Ich werde die beiden fragen, was hier eben passiert ist.«
Mit Sorgenfalten
im Gesicht hielt Karl von Schenck Livs Hand. »Seien Sie bitte vorsichtig.«
»Die werden
mich schon nicht zu ihrer offiziellen Essenseinladung ermorden. Aber ich verspreche
Ihnen, ich werde keine Froschschenkel essen.«
Liv lobte
Karl von Schenck für seinen Spürsinn und bedankte sich.
»Es ist
mir eine Ehre, mit einer so guten Kriminalreporterin zusammenzuarbeiten. Ich habe
inzwischen Zeit gehabt, über Sie etwas zu recherchieren. Es waren sehr lesenswerte
Artikel in namhaften Blättern, die ich da fand.« Er nahm ihre Hand und führte sie
andeutungsweise zu seinem Mund.
»Mein erster
Handkuss«, sagte Liv. Bei jedem anderen wäre es peinlich gewesen, nicht bei Karl
von Schenck.
46
Gleich begann die Fitnessstunde
mit Bettina Botrange. Liv war gespannt, was sie heute mit ihr vorhatte. Sie jedenfalls
war zu allen Schandtaten bereit. Im Vorbeigehen sah Liv auf den Kursplan: Kickboxen
war angesagt. Sie musste schmunzeln, denn so ging sie gut gerüstet in das heutige
Abendessen mit den Geschwistern.
Kickboxen
war nur die fantasievolle Bezeichnung für diesen Gymnastik-Kurs. Sie boxten, traten
und kämpften jeder für sich gegen virtuelle Gegner, die eben nur in der eigenen
Vorstellung bestanden. Der Sandsack, den Liv malträtierte, nahm bald in ihren Gedanken
die Gestalt menschlicher Opfer an. Ihren Biologielehrer, wegen dessen Antipathie
sie eine Klasse wiederholen musste, streckte sie mit nur einer ordentlichen Rechten
nieder. Das war für deine Ungerechtigkeit, hörte sie sich leise sagen, als sie hüpfend
auf den nächsten Gegner wartete. Eine Kollegin, die sie in einem Fall ausbootete,
stand kurz vor ihr und bekam einige Faustschläge mit. Zwei weitere rechte Haken
waren noch übrig für Livs Eltern, einer für ihren Vater, den Macho, und der andere
für die Mutter, die alles duldete. Jeder Treffer saß, dazu der passende kurze Kraftschrei.
Liv fühlte sich stark.
Als Frank
sich plötzlich imaginär näherte, traf Liv ihn zunächst nicht, weil er geschickt
auszuweichen wusste. Als Bettina ihr Bewegungskorrekturen zurief und Liv aus ihrem
aktiven Tagtraum riss, hatte sie das Gefühl, durch diese Ablenkung von Frank einen
Schlag abbekommen zu haben. Liv wankte etwas und wischte sich den Schweiß von der
Stirn. Weiter ging es. Sie drehte sich hüpfend auf der Stelle, nach hinterhältigen
Gegnern Ausschau haltend, die Fäuste, ihr Kinn schützend, vorgehalten. Bettina lachte
laut, als sie das sah. »Gib’s ihnen, Liv!«, rief sie ihr zu.
So langsam
wurden Livs Arme schwerer. Bettina hätte wohl noch länger gekonnt, aber die vier
Mädels hatten genug gekämpft. Sie ahmten Bettinas Ausgleichübungen und Stretching-Bewegungen
nach. Der Puls beruhigte sich, die Kräfte kehrten langsam zurück. Die Stunde war
um. Leider verneinte Bettina Livs Frage, ob der Kurs in den nächsten zwei Tagen
noch einmal stattfinden würde. Sie nahm sich dafür ganz fest vor, dieses Schatten-Kickboxen
zu Hause weiter zu trainieren.
Einen Saunagang
fügte Liv an, fühlte sich aber nicht sehr wohl, da heute fast alle Hotelbewohner
gleichzeitig saunieren wollten. Nein, das war ihr eindeutig zu voll. Sie mochte
nicht, wenn in der Sauna geredet wurde. Den quälenden Schmerz der Hitze konnte sie
nur bei Stille ertragen. Und was interessierte sie der Quatsch, den die anderen
so lauthals von sich gaben – nicht die Spur. So blieb sie bei einem Gang, auch das
Solarium verschob sie auf morgen. Zum Duschen begab sie sich in ihr Hotelzimmer.
Es war noch genügend Zeit bis zum Abendessen mit der Geschäftsführung. Bei Musik
aus dem Fernseher schrieb Liv an ihrem Artikel weiter. Da fiel ihr zum Glück ein,
ihren Auftraggeber anzurufen. Sie suchte an der Fernbedienung den Knopf zum Leisestellen,
fand ihn nicht und drückte den Fernseher aus – auch gut.
»Hallo,
Herr Barg, ich bin es, Liv Oliver. Haben Sie meinen vorläufigen Artikel bekommen?
Passt er so weit? Ich gehe von der gesamten Seite eins aus, inklusive Fotos, ist
doch richtig?«
»Ja, richtig,
der Text ist ausgezeichnet. Ich hoffe aber, dass Sie noch mehr Fakten herausfinden.
Wenn Sie unseren Lesern am Wochenende den oder die Mörder servieren,
Weitere Kostenlose Bücher