Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frösche: Roman (German Edition)

Frösche: Roman (German Edition)

Titel: Frösche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
Vom Netzwerk:
erspart.
    Meine Tante, mein Vater und alle meine Freunde aus unserem Dorf laden Sie herzlich ein, wiederzukommen und unser Gast in Nordost-Gaomi zu sein. Meine Tante sagte, sie wolle Sie dann auf einer Reise nach Pingdu begleiten, um sich alles vor Ort anzuschauen. Sie hat mir noch im Geheimen verraten, dass sie von Ihrem verblichenen, verehrten Herrn Vater nur das Beste denkt, er habe einen sehr guten Eindruck auf sie gemacht. Unter den japanischen Offizieren der Kaiserlich Japanischen Armee gab es sicherlich viele, die so entsetzlich barbarisch und brutal waren, wie die chinesischen Filme sie immer zeigen. Es gab aber auch einige, die wie Ihr verblichener Herr Vater kultiviert und vollendet höflich waren. Meine Tante hat über ihn ein persönliches Urteil abgegeben. Sie bezeichnet ihn als einen weniger Bösen innerhalb einer großen Gruppe von Verbrechern.
    Anfang Juni bin ich wieder nach Gaomi zurückgekehrt. Inzwischen ist bereits ein Monat vergangen, in dem ich mich sozusagen der empirischen Sozialforschung bei uns gewidmet habe, alles Vorbereitungen für das geplante Theaterstück, das meine Tante zum Thema hat. Zur gleichen Zeit schreibe ich weiter an den von Ihnen erbetenen Briefen, in denen ich Ihnen die Lebensgeschichte meiner Tante schildere, und ich befolge Ihren mahnenden Ratschlag und schreibe möglichst viel von dem, was mir persönlich widerfahren ist, mit in die Briefe hinein.
    Von meiner Tante und von meinem Vater Ihnen und Ihrer Familie herzliche Grüße!
    Wir Dörfler Nordost-Gaomis heißen Sie willkommen, uns wieder zu besuchen!
    Kaulquappe
    Gaomi, im Juli 2003

1
    Verehrter Freund, der 7. 7. 1979 ist mein Hochzeitstag. Meine Braut Wang Renmei war meine Klassenkameradin aus der Grundschule. Sie hatte die langen Beine mit mir gemein, wir beide hatten Kranichbeine. Immer wenn ich ihre langen Beine sah, pochte mein Herz wie verrückt. Mit achtzehn traf ich sie am Brunnen, als ich mit dem Tragjoch Wasser holen ging. Ihr Eimer war ihr hinein gefallen, und sie lief aufgeregt im Kreis. Ich kniete mich auf den Brunnenrand, um ihr den Eimer wieder herauszuholen. An jenem Tag hatte ich Glück, mit einem Griff kriegte ich ihn zu packen und fischte ihn heraus. Sie rief voller Bewunderung: »Renner, das ist toll! Du bist ja ein Spezialist im Rausfischen von Eimern!«
    Damals durfte sie an der Grundschule Vertretungsstunden für den Lehrer geben. Sie gab Sportunterricht. Sie war eine hoch aufgeschossene Bohnenstange, mit langem Hals, zierlichem Kopf und zwei geflochtenen Zöpfen, die ihr den Rücken hinunterbaumelten.
    »Renmei, ich will dir was erzählen«, stotterte ich.
    »Was denn?«
    »Wang Galle und Chen Nase gehen miteinander. Wusstest du das?«
    Erst zuckte sie zusammen, dann lachte sie los.
    »Renner, da redest du ausgemachten Unsinn. Wie sollte wohl eine so kleine Person wie Galle mit diesem Ausländerross Nase zusammen sein? Das passt doch gar nicht!«
    Dann aber platzte es plötzlich aus ihr heraus, sie bog sich vor Lachen und errötete übers ganze Gesicht, als hätte sie sich etwas Bestimmtes vorgestellt.
    Todernst erwiderte ich: »Es stimmt. Wenn ich nicht die Wahrheit sage, will ich mich sofort in einen Hund verwandeln. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen.«
    »Was hast du gesehen?«, fragte Renmei jetzt, worauf ich ihr zuraunte: »Wenn ich es dir erzähle, darfst du aber nichts weitersagen. Als ich gestern aus dem Zimmer des Arbeitspunktekontrolleurs kam, ging ich an der Tenne vorbei, an dem Strohhaufen. Dahinter habe ich Flüstern und leises Kichern gehört. Ich habe mich heimlich herangepirscht, mein Ohr an den Strohhaufen gehalten und gehorcht. Ich habe gemerkt, dass Nase und Galle da drinnen steckten und miteinander turtelten. Ich hörte Galle sagen: ›Bruderherz Nase, verlass dich drauf: Auch wenn ich so klein bin, fehlt mir nichts, und ich kann dir bestimmt einen großen Sohn gebären.‹«
    Renmei bog sich wieder, weil sie einen Lachanfall bekam. Ich fragte sie: »Willst du weiterhören oder nicht?«
    »Klar doch. Nun sag schon! Was haben die sonst noch gemacht?«
    Ich sagte: »Dann haben sie sich wohl gegenseitig auf den Mund geküsst.«
    »Völliger Unsinn. Das kann doch gar nicht angehen!«
    »Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich lüge? Wenn ich dich hinters Licht führen wollte, würde ich mir schon was Besseres ausdenken.«
    »Wie haben die das mit dem Küssen geschafft?«
    »Na wie schon ... Nase hat Galle in den Arm genommen, besser gesagt auf den Arm, wie man ein kleines

Weitere Kostenlose Bücher