Frohes Fest!
sie zurückreiten und uns folgen werden, aber falls doch, haben wir eine Ausrede, warum wir diesen Weg benutzen. Jetzt …« Sie begann zu singen. Diese Melodie – Lorrie war sich bewußt, daß sie die Melodie schon gehört hatte, aber sie verstand den Text nicht. Doch nach ein paar Minuten merkte sie, daß sie die Melodie mitsummte. Die Tonleiter hinauf und herunter ging es, als sie den Wald wieder verließen und einen Abhang hinunter auf eine andere Straße einbogen. Nun hielten sie sich nach rechts und damit in Richtung zurück, woher sie gekommen waren.
Lotta sang immer noch, manchmal so leise, daß ihre Stimme kaum mehr als ein Murmeln war, manchmal lauter als das Klingen der Glöckchen. Dann hörte sie ganz plötzlich auf, und Lorrie hatte das Gefühl, sie lausche nach einer Antwort aus dem Gebüsch und den Bäumen, die die Straße vor ihnen einrahmten.
Einmal hörten sie von fern her das Bellen eines Hundes. Und um Lottas Lippen spielte einen Augenblick lang ein schwaches Lächeln. Aber sie beobachtete den vor ihnen liegenden Weg immer noch äußerst aufmerksam. Sie erreichten einen Hügelkamm und oben hielten sie kurz an, und das Pferd schnaubte und blies weiße Atemwolken in die Luft, während es den Kopf auf und ab bewegte.
Die Straße neigte sich wieder, führte über eine Brücke und dann – ja, zur Linken sah Lorrie die vertrauten roten Klinkerwände des Hauses. Und mit dem Anblick verschwand die nagende Furcht, die sie seit dem Treffen mit den Reitern nicht losgeworden war.
»Langsam, Bevis!« rief Lotta.
Das Pferd nickte lebhaft mit dem Kopf, als habe es sie verstanden, und wieherte. Sie fuhren den anderen Abhang viel langsamer hinunter. Und immer noch sah es so aus, als lausche Lotta, als erwarte sie, außer dem Klopfen der Hufe auf dem Schnee noch etwas anderes zu hören.
»Bevis!« Sie hatten sich der Brücke genähert, als Lottas Stimme ertönte und das Pferd anhielt. Jetzt legte Lotta das schützende Fell beiseite und kletterte aus dem Schlitten. Obwohl sie Lorrie kein Zeichen gab, ihr zu folgen, befreite die sich von dem Fell und stieg ebenfalls aus. Lorries langer Rock schleifte über den Schnee. Sie raffte ihn mit beiden Händen hoch und stiefelte weiter – viel langsamer und ungeschickter als Lotta, die in die Schatten unter der Brücke hineinspähte.
Dann mischte sich ein fremdes Gefühl unter Lorries eigene Empfindungen. So wie sie bei der Begegnung mit den Reitern den Geruch des Bösen wahrgenommen hatte, so empfand sie jetzt Angst – keine eigene Angst allerdings. Sie erreichte Lorrie aus den Schatten am Wasser. Unsicher blieb sie stehen.
»Sie sind weit weg …« Lottas sanfte Stimme war gut zu hören. »Ihre Hunde folgen jetzt geradewegs der falschen Spur. Kommt heraus, so lange ihr noch Zeit dazu habt!«
Keine Antwort. Es schien Lorrie, daß die Welle der Angst noch stärker wurde. Sie konnte sich unter dem überwältigenden Gefühl nicht mehr bewegen. Aber Lotta streckte ihre Hände in Richtung des Schattens aus.
»Ihr braucht keine Angst vor uns zu haben. Kommt, bevor es zu spät ist! Ich verspreche euch eine sichere Zukunft. Aber ich weiß nicht, wieviel Zeit wir noch haben.«
Wieder nur Schweigen. Dann beobachtete Lorrie eine leichte Bewegung in den Schatten. Eine gebeugte Gestalt krabbelte heraus, die Hände und Knie im Schnee. Sie zog etwas hinter sich her, was ein Mantel oder ein langer Umhang sein mochte mit einem Bündel Lumpen darauf.
»Ich muß Ihnen glauben.« Das klang, als ob sie vor Schmerzen schrie. »Ich muß Ihnen einfach glauben, Fräulein.«
Lotta rannte ein paar Schritte weiter und ergriff die kriechende Gestalt mit beiden Händen an den Schultern. »Lorrie!« rief sie, und Lorrie kämpfte sich durch eine Schneewehe zu ihr vor. Zusammen brachten sie eine große, hagere Frau auf die Beine, deren viel zu dünner Körper unkontrolliert zitterte. »Nackie! Nackie!« Sie bückte sich wieder zu dem Bündel auf dem Umhang hinunter und wäre beinahe gestürzt, hätte Lotta sie nicht abgefangen.
»Komm!« mahnte sie. »Wir haben so wenig Zeit! Lorrie, nimm das Baby.«
Baby? Lorrie blickte auf das Bündel hinunter, das sich weder bewegt noch geschrien hatte. Baby? Ungläubig und ungeschickt bückte sie sich und hob das Lumpenbündel auf dem schneenassen Umhang auf. Sie hielt tatsächlich einen kleinen Körper in den Armen, und er bewegte sich jetzt ein wenig an ihrer Schulter, als sie mühsam wieder auf den Schlitten kletterte.
Irgendwie drängten sie sich
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