Frohes Fest!
erster Linie für die Anwesen. Der junge Mann sagte, er sei Antiquitätensammler, und er interessiere sich für antike Sachen, besonders für alte Häuser. Und vor allen Dingen reize ihn das ungewöhnliche Haus jenes alten Mannes. Er erzählte mir, er habe ihn schon mehrere Male gebeten, einen Blick hineinwerfen zu dürfen, doch der alte Mann habe ihm immer den Eintritt verwehrt.
Meistens brannte in dem Haus kein Licht, alles war still und dunkel, als ob niemand daheim sei, obwohl der alte Mann niemals ausging. Stellt euch das Erstaunen des jungen Mannes vor, als er in jener Winternacht plötzlich kein finsteres, verlassen wirkendes Haus sah, sondern von Weihnachtslichtern erhellte Fenster, die verschwommen durch den Nebel schimmerten. War es tatsächlich das Haus des alten Mannes, oder hatte er sich verirrt? Es war das Haus, denn der alte Mann selbst stand am Fenster und machte eine freundliche Miene. Der junge Mann dachte sich, er wolle noch einmal sein Glück versuchen und fragen, ob er das Haus betreten dürfe. Er klingelte an, und langsam ging die Vordertür auf.
Der alte Mann, der vor ihm stand, sagte kein Wort; er trat nur einen Schritt zur Seite und ließ den jungen Mann hinein. Endlich war der am Ziel seiner Wünsche, und das hieß, daß er das alte Haus nach Herzenslust besichtigen durfte. Während er durch enge Korridore schritt und in längst nicht mehr bewohnte Zimmer schaute, blieb der alte Mann ständig bei ihm. Er sprach jedoch nicht, er lächelte nur.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, woher du diesen Teil deiner wahren Geschichte wissen willst, Tante Elise«, unterbrach ich sie.
»Tante Elise weiß es eben«, behauptete eine meiner kleinen Cousinen, nur um mich zum Schweigen zu bringen.
Ohne sich durch meinen Einwand stören zu lassen, erzählte Tante Elise weiter:
»Nachdem sich der junge Mann im ganzen Haus umgesehen hatte, setzten sich die beiden Männer in die gemütlichen Polstersessel im Wohnzimmer und unterhielten sich eine Weile über das Haus. Schon bald jedoch fiel dem jungen Mann auf, daß das Lächeln des alten Mannes ein wenig sonderbar wirkte, und es beunruhigte ihn. Zum Schluß zückte er seine Taschenuhr und behauptete, gehen zu müssen. Als er den Blick wieder hob, war der alte Mann fort. Im ersten Moment erschrak der junge Mann. Er suchte seinen Gastgeber in den Nebenzimmern und in den Korridoren, während er ›Sir, Sir‹, rief, denn dessen Namen hatte er nie erfahren. Nirgendwo war der alte Mann zu finden. Dann entschloß sich der Antiquitätenhändler, ohne Abschied und ohne ein Wort des Dankes zu gehen.
»Doch er kam nicht mal bis zur Vordertür, als er schon jählings haltmachte, so sehr verblüffte ihn, was er durch ein Fenster sah.
»Die Straße draußen schien verschwunden zu sein, es gab weder Straßenlaternen, noch Bürgersteige, noch Häuser, außer dem einen, in dem er sich gerade befand. Er sah nur den Nebel und einige schreckenerregende, zerlumpte Gestalten, die ziellos darin umherwanderten. Der junge Mann konnte sie weinen hören. Was war das für ein Ort, wohin hatte das alte Haus ihn gebracht? Ratlos starrte er aus dem Fenster.
»Als er das Gesicht sah, das sich in der Scheibe spiegelte, glaubte er einen Moment lang, der alte Mann sei zurückgekehrt und stünde nun lächelnd hinter ihm. Doch dann merkte der junge Mann plötzlich, daß er in sein eigenes Gesicht blickte, und er fing an zu weinen, wie diese fürchterlichen, armseligen Kreaturen, die draußen durch den Nebel irrten.
»Nach jener Nacht hat man den jungen Mann nie wieder in dieser Gegend gesehen; er blieb verschwunden wie das Haus, das abgerissen wurde.
»Nun, wie hat euch die Geschichte gefallen, Kinder?«
Ich war müde, so müde wie noch nie in meinem Leben. Ich hatte offenbar nicht mal mehr die Kraft, von dem Sessel aufzustehen, in dem ich zusammengesunken war. Mein Körper streifte andere Gestalten, und langsam schlurfte ich dahin, beobachtet von schemenhaften Gesichtern in der Ferne. Wohin ging ich? War ich hungrig oder wollte ich mir etwas zu trinken holen? Wollte ich ins Bad, um meinen alten Körper zu erleichtern? Nein, nichts davon hatte mich veranlaßt, fortzugehen.
Stunden mochten verstrichen sein, ehe ich merkte, daß ich im Nebel eine Straße entlangging. Der Dunst bildete rings um mich her undurchdringliche weiße Wände, enge Korridore, die nirgendwohin führten, und fensterlose Zimmer. Ich war nicht sehr weit gelaufen, als ich begriff, daß mein Weg schon zu Ende war. Und
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