Frohes Fest!
Zusammengehörigkeit, und er dachte: Verdammt noch mal, wir alle müssen erwachsen werden!
Tina, Andy und Ollie wünschten ihm gemeinsam, im Chor, Fröhliche Weihnachten. Sie waren nicht allein. In der Fensterscheibe hinter dem Küchentisch spiegelte sich glitzernd eine scharfkantige Christbaumspitze, die auf ihn niedersauste wie ein vom Himmel fallender Stern.
Originaltitel: »You’d Better Watch Out«
Copyright © 1989 by Montcalm Cor.
(erstmals erschienen in »Twilight Zone«, Februar 1989);
mit freundlicher Genehmigung des Autors
und der Vega Agentur Luserke, Friolzheim.
Copyright © 1989 der deutschen Übersetzung by
Wilhelm Heyne Verlag, München
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Ingrid Herrmann
Thomas Ligotti
Die Weihnachten mit Tante Elise
Die Geschichte einer Besessenheit aus Old Grosse Pointe
Wir sprachen ihren Namen mit einem deutlich stimmhaften ›s‹ aus, so wie manche Leute Miesuhs sagen anstatt Missus. Sie bestand darauf, daß die gesamte Familie – der reiche wie der arme Zweig – jedes Weihnachtsfest in ihrem bizarren Haus in Grosse Pointe feierte, und das auf traditionelle, althergebrachte, antiquierte Weise.
Allerdings vertrat Tante Elise den wohlhabenden Zweig der Familie ganz allein. Ihr Mann war viele Jahre zuvor gestorben und hatte sie mit einem blühenden Immobiliengeschäft, aber kinderlos, zurückgelassen. Niemanden überraschte es, daß Tante Elise die Firma mit phänomenalem Erfolg weiterführte; auch jetzt noch stand der Nachname ihres Mannes auf den Schildern mit der Aufschrift ›ZU VERKAUFEN‹, die überall im Land in Vorgärten von zu veräußernden Häusern steckten.
Manchmal wunderte sich ein Neffe oder eine Nichte, wie der Onkel wohl mit Vornamen geheißen hätte. Und mehr als einmal fragte eines der Kinder, wo denn Onkel Elise sei. Worauf wir anderen dann im Chor erwiderten: »Der hat seine Ruhe gefunden.« Diese Antwort hatte uns die verwitwete Tante Elise einmal selbst gegeben.
Gewiß, Tante Elise war Witwe und kinderlos. Doch sie liebte den Trubel großer Familien, und in jeden Ferien scharte sie Verwandte um sich, junge und nicht mehr ganz so junge, wie sie Immobilien, Besitztümer und Geld sammelte.
Ihr Haus glich einem Landsitz im Elisabethanischen Stil, nur daß es von bescheideneren Ausmaßen war. Umgeben von einer erstickend dichten Baumgruppe stand es auf einem Hügel nahe des Lake Shore Drive, wobei es dem See nicht die Vorderfront, sondern gewissermaßen das Profil zukehrte. Der dunkelgraue Stein, aus dem es erbaut war, machte es in einem Versteck zwischen den Bäumen nahezu unsichtbar – bis man die rautenförmigen Fensterscheiben aufblitzen sah, die Tante Elise eigenhändig blankzuputzen pflegte, und man erkannte, daß an der Stelle, wo man nur leere Schatten vermutete, ein Haus stand.
Zur Weihnachtszeit wirkten die Facettenfenster wie mit buntem Zuckerguß glasiert, weil sich in ihnen das Licht der rosafarbenen, blauen, grünen und gelben Glühbirnen spiegelte, die rings um die Rahmen angebracht waren. Im Dezember kroch oft dichter Nebel vom noch nicht zugefrorenen See über das Haus, und die kaleidoskopartigen Fenster leuchteten in weichen Pastelltönen durch die milchigen Schwaden.
Als ich noch ein Kind war, symbolisierte dieser Anblick für mich den Geist und die Atmosphäre der Winterferien: eine heitere Ansammlung von Farben, die dieser Welt vage Gerüchte über die sonderbaren und feierlichen Rituale zuflüsterten, die zeitlich parallel in einem anderen Universum stattfanden. Hier das Fest, dort die Zeremonie.
Wieso streiften wir die Wirklichkeit von uns ab und ließen sie draußen, sobald wir das Haus betraten?
Jedesmal, wenn ich von meinen Eltern an der Hand auf dem gewundenen Weg zum Haus geführt wurde, blieb ich jählings stehen und wollte meine Eltern an den Händen zurückzerren wie zwei durchgehende Pferde, weil ich mich einen kurzen, vergeblichen Augenblick lang sträubte, hineinzugehen.
Nach meinem ersten Weihnachtsfest bei Tante Elise – damals war ich fünf Jahre alt – wußte ich, was drinnen im Haus passierte; und in all den Jahren danach änderte sich an der Abfolge des Programms so gut wie nichts. Diejenigen, die aus großen Familien stammen, wissen, was bei solchen Weihnachtsfeiern geschieht, und es lohnt sich nicht, eine näher zu beschreiben. Vielleicht sind selbst die Menschen, die als Vollwaisen groß wurden, aufgrund der vielen Weihnachtsgeschichten und –erzählungen mit derlei
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