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Fronttheater

Fronttheater

Titel: Fronttheater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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…«
    »Siehst du, du hast ein Aber. Hast du eine Entschuldigung für all das, was geschieht?«
    Sie wies auf den Friedhof, auf die windschiefen Kreuze und auf die Männer, die mit ihren Feldspaten die Gräber aushoben.
    »Also, Erika …«
    »Ach, laß mich in Ruhe!« Mit einer schroffen Bewegung wandte sie sich ab und lief weg.
    »Erika!« rief Garten hinter ihr her.
    Sie wandte sich nicht um. Wie gehetzt lief sie um die Kirche herum. Erst vor dem kleinen, geschnitzten Portal blieb sie stehen.
    Zögernd drückte sie die schwere Tür auf.
    In schrägen Strahlen fiel das Mondlicht durch bunte Scheiben und malte ein blasses Muster auf den Altar.
    Erika tastete sich den Mittelgang entlang zur vordersten Bankreihe und sah zu dem schlichten, braunen Holzkreuz hin, das an der Stirnwand der Kirche emporragte.
    »Erika?« sagte plötzlich eine Stimme über ihr.
    Mit einem Aufschrei fuhr sie zusammen.
    »Hier bin ich.«
    Erika starrte zu der kleinen Empore hinauf. »Du, Karl?« Sie erkannte Pykora. »Was machst du denn hier?«
    »Ich habe eine Orgel gefunden«, sagte Pykora, fast atemlos vor Freude. »Komm doch rauf.«
    Erika nickte, stieg dann die schmale, gewundene Treppe hinauf.
    Karl Pykora saß vor der Klaviatur der kleinen Orgel. Die Pfeifen schimmerten wie mattes Silber im Mondlicht. »Kannst du den Blasebalg treten, Erika?« fragte er.
    »Du willst doch nicht etwa spielen?«
    Pykoras Gesicht glänzte. »Aber natürlich.«
    »Nach diesem schrecklichen Tag?« entsetzte sich Erika.
    Karl Pykora sah ihr ins Gesicht. »Gerade nach diesem schrecklichen Tag. Gerade heute will ich mich daran erinnern, daß die Welt auch schön sein kann und daß es einen Trost gibt.«
    »Ja«, sagte Erika. »Ja, Karl.« Sie umarmte den schmalen Jungen und küßte ihn auf die Wange. »Wo muß ich treten?«
    »Der Blasebalg ist hinter den Pfeifen.«
    Erika fand das enge Gelaß. Ihre Füße traten auf die Wippe, die den Blasebalg betätigte. Sie hielt sich an den verrosteten Handgriffen fest und begann zu treten. Zischend preßte sich die Luft in ein geheimnisvolles Rohrsystem.
    Und dann quoll der erste Akkord aus den Pfeifen, erst noch etwas zitternd, dann aber machtvoll anschwellend.
    In dieser Nacht flog ein britischer Lancaster-Bomber über Mittelnorwegen westwärts, in Richtung England.
    Captain Scott starrte auf die zerfetzte linke Fläche seiner Maschine. Der Fahrtwind riß immer wieder Splitter davon ab.
    Noch fast drei Stunden bis nach Hause …
    Scott preßte das Kehlkopfmikrophon an den Hals. »Was macht Joe?« fragte er nach hinten.
    »Den kriegen wir nicht durch. Zuviel Blut verloren.«
    »Verdammt!« fluchte Scott. Er versuchte die schwere Maschine etwas höher zu ziehen. Es gelang ihm nicht. Das Ruder mußte etwas abbekommen haben, als die deutschen Jäger Scotts Staffel angriffen.
    »Nachricht von den anderen Maschinen?« fragte er den Funker.
    »Keinen Pieps«, quäkte die Stimme des Funkers im Kopfhörer. »Die sind bestimmt alle runtergefallen.«
    »Wir haben noch eine Bombe im Schacht«, sagte der Bombenschütze. »Was machen wir damit?«
    »Schmeiß sie weg«, knurrte Scott.
    »All right, Captain.« Der Bombenschütze legte sich in seine Wanne, griff nach dem Hebel.
    Unter ihm dehnte sich die schroffe Felsenwildnis Nordnorwegens. Im Westen schimmerte das Meer.
    Captain Scott blickte wieder auf die linke Tragfläche.
    Zwischen den Bergen schimmerte ein winziger, matter Lichtpunkt.
    »Fertig?« fragte Scott.
    »Ja«, antwortete der Bombenschütze.
    »Dann ist's gut.« Captain Scott nickte grimmig, als er die angeschossene Maschine in eine schwerfällige Linkskurve zog, auf den schwachen Lichtschein zu.
    Der matte Lichtschein fiel durch die dünnen Verdunklungsvorhänge des Revierlazarettes, in dem ein junger Unterarzt seit über zwei Stunden die Verwundeten der aufgeriebenen Gebirgsjägereinheit operierte.
    Ab und zu hob er den Kopf und lauschte zur Kirche hinüber, aus der die Orgel klang.
    Erika hielt sich an den Griffen fest und trat die Bälge.
    »Ich werde diese Nacht nie vergessen«, flüsterte sie. »Solange ich lebe, werde ich sie nicht vergessen.«
    Unten wurde die Tür aufgestoßen. Ein Soldat stürzte in die Kirche.
    »Fliegeralarm!« brüllte er.
    Karl Pykora hörte ihn nicht. Mit versunkenem Gesicht saß er vor der Orgel. Seine schmalen Hände fuhren über die Tasten.
    Die Bombe explodierte mit ohrenbetäubendem Krachen an der Turmwand der Kirche, dicht neben der Empore.
    Mit einem schrillen Aufschrei zerbarst

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