Fronttheater
murmelte er. »Sonst hätten wir ja keinen Spaß mehr.« Er wandte sich an seine Männer: »Gehn wir, Leute!«
Meyer klemmte sich wieder hinter das Steuer, die anderen hockten auf der Ladefläche des Wagens neben dem toten Pykora.
Zehn Minuten später hielt der Wagen vor dem Haus des Einsatzleiters.
»Der Tupfer schläft schon«, sagte Sonja mit einem Blick auf die dunklen Fenster.
»Wir werden ihn schon wach kriegen.« Walter Meyer kletterte steifbeinig aus dem Führerhaus.
»Einer von euch muß bei Karl bleiben«, sagte Fritz Garten.
»Ich paß schon auf«, versicherte Irene.
Walter Meyer hämmerte mit der Faust gegen die Haustür. »Aufmachen! – Aufmachen!«
Im Oberstock wurde ein Fenster hell. »Was wollt's denn, um Gottes willen?« Ein verschlafenes Gesicht starrte vorwurfsvoll herunter.
»Stehen Sie auf, Herr Tupfer«, rief Fritz Garten.
»Jessas, dem Garten seine Truppe«, sagte Karl Tupfer erschrocken. »Wo kommt ihr denn her, mitten in der Nacht? Ihr solltet doch eigentlich …« Der Kopf verschwand, und sie hörten Karl Tupfer die Treppen herunterschlurfen.
Eine Minute später saßen sie im Büro dem Einsatzleiter gegenüber.
»Um das Wichtigste vorweg zu nehmen, Herr Tupfer«, begann Fritz Garten: »Unser Pianist Karl Pykora ist gestern in Imnok bei einem Bombenangriff gefallen. Am Tag zuvor haben wir durch Partisanen unser Fahrzeug und sämtliche Requisiten verloren. Ich erwarte, daß sie unsere Tournee abbrechen lassen.« Sein Gesicht wurde hart. »Es ist in meinen Augen ein Verbrechen, Herr Tupfer, eine unbewaffnete Theatertruppe, die größtenteils aus Frauen besteht, in derart unsichere Gebiete zu schicken. Ich werde in Berlin …«
»Aber, mein lieber Herr Garten!« Tupfer sprang entsetzt auf und legte Garten die Hand auf die Schulter. »So beruhigen Sie sich doch erst einmal.«
»Einen Dreck werde ich!« Garten schüttelte Tupfers Hand ab. »Karl Pykora liegt draußen vor der Tür, gestorben durch Ihren bodenlosen Leichtsinn. Und Sie verlangen, ich soll mich beruhigen.«
»Fritz, bitte!« Erika sah ihn flehend an. »Dadurch wird es auch nicht besser.«
»So, und nun wollen wir rasch einmal die Sache von Grund auf klären«, nahm Tupfer seine Chance wahr. »Wo, sagten Sie, sind Sie gewesen? Stradfjord und Imnok?« Er fummelte nervös in einer der Mappen, die in malerischer Unordnung über seinem Schreibtisch verstreut lagen, zog schließlich einen Bogen heraus. »Was haben Sie denn um Himmels willen da gewollt?«
Walter Meyer starrte ihn wütend an. »Jetzt tun Sie bloß nicht so, als ob Sie unseren Tourneeplan noch nie gesehen hätten.«
Karl Tupfer machte eine hilflose Geste. »Aber hier steht doch schwarz auf weiß: Bergen – Oslo – Lillehammer – Trondheim. Kein Wort von Stradfjord.«
»Das will ich sehen.« Walter Meyer riß ihm das Papier aus der Hand. Ein paar Sekunden lang starrte er auf das Fernschreibformular aus Berlin. Dann reichte er es schweigend Fritz Garten.
»Darf ich vielleicht wissen, wie Sie sich das erklären?« fragte Karl Tupfer, als ihm das Schweigen unheimlich wurde.
»Ja, das können Sie«, sagte Walter Meyer grimmig. »Unser Durchschlag ist höchstwahrscheinlich geändert worden.«
»Vorsätzlich gefälscht, um es ganz genau zu sagen«, ergänzte Fritz Garten. »Und zwar von Herrn Bereichsleiter Kurt Planitz.«
»Das werden Sie beweisen müssen«, rief Tupfer aufgebracht. »Sie können Ihren Chef doch nicht einer Urkundenfälschung …«
»Wenn's weiter nichts wäre«, machte Meyer wegwerfend. »Aber hier handelt es sich um einen Mordversuch.«
»Zeigen Sie mir Ihren Einsatzbefehl«, verlangte Karl Tupfer und streckte die Hand aus.
Fritz Garten faßte in seine Brusttasche. Er zog die Stirn in Falten. »Gestern hatte ich ihn doch hier …«
»Verloren, nicht wahr?« Tupfer lächelte boshaft.
»Wahrscheinlich während des Bombenangriffs oder in Stradfjord«, sagte Garten unsicher. »Die Führer der von uns besuchten Einheiten werden aber bestimmt bestätigen können …«
»Das wird sich finden.« Karl Tupfer stand auf. »Ich werde mich sofort mit Herrn Planitz in Verbindung setzen.«
»Planitz wollte dich abschießen, Fritz«, sagte Meyer. »Und wir sollten alle mit draufgehen.«
Fritz Garten machte eine müde Handbewegung. »Ihr solltet euch nach einem anderen Spielleiter umsehen, Walter. Solange ich bei euch bin, ist jeder Einsatz ein Himmelfahrtskommando.«
»Auch noch schlappmachen, was?« Meyer zog ironisch die Mundwinkel herunter.
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