Fronttheater
fallt, sind wir stolz auf euch … So ähnlich will man es. Ach, du weißt ja gar nicht, was hier los ist.«
Irene beugte sich über das Bettchen und ergriff die Hand Juppis. Er krallte die Fingerchen um sie, zog und quietschte vor Freude.
»Gestern haben sie mich wieder bestellt«, sagte Lore, und die Tränen standen ihr in den Augen. »Zum sechsten Male. Ich soll in einen Kriegseinsatz. Munitionsfabrik. Zehn Stunden! ›Dann vergeht Ihnen das Jammern!‹ haben sie mich angebrüllt.«
»Und Juppi?«
»Den werde ich versorgen.« Irenes Mutter schüttete das sprudelnd kochende Wasser auf das Kaffeemehl.
»Ich werde sofort Fritz Garten anrufen«, entschied Irene. »Er wird einen Rat wissen.«
Über eine Stunde mußte Irene warten, bis die Verbindung mit Berlin zustande kam.
»Ich bin heute abend bei euch«, sagte Garten, als Irene ihm berichtet hatte.
»In Ordnung, Fritz.« Irene wollte aufhängen. Doch plötzlich fiel ihr ein: »Kannst du nicht Sonja mitbringen, Fritz?«
Durch den Draht hörte sie ein leisen Lachen. »Eine blendende Idee, Irene. Wenn irgend jemand mit diesen Bonzen fertig wird, dann ist es unsere Sonja. Das Allzumenschliche kann auch der Krieg nicht zerstören.«
Am nächsten Vormittag betrat Sonja Deppe das Büro des SD-Chefs in Lübeck.
Der Sturmführer brauchte geraume Zeit, bis er fragte: »Wer sind Sie?«
Sonja lächelte zutraulich und setzte sich in den nächsten Sessel. »Sie wollen doch etwas von mir?« fragte der SD-Mann mißtrauisch.
»Kluges Kind«, sagte Sonja. »Darauf wäre ein anderer nicht so schnell gekommen.«
Der SD-Mann stand auf und trat langsam auf Sonja zu. »Und was wollen Sie von mir?«
Sonja zuckte mit den Schultern. »Gar nichts Besonderes«, sagte sie leichthin. »Ich möchte nur, daß meine gute Freundin wieder zu unserer Theatertruppe zurück kann.«
»Und was habe ich damit zu tun?« Der SD-Mann stand dicht vor Sonja und schielte sie von oben an.
»Meine Freundin Lore ist bei Ihnen …«
»Lore?« Sein Blick löste sich von Sonja. »Sie meinen doch nicht etwa diese Lore Sommerfeld?«
»Genau die«, nickte Sonja und zauberte ihr süßestes Lächeln in ihr Gesicht.
»Sie sollten sich eine andere Freundin suchen«, rief der SD-Mann.
Sonja betrachtete angelegentlich ihre Beine. »Man kann sich nicht alles aussuchen«, sagte sie. »Ich bin meist mit dem zufrieden, was ich kriegen kann.«
Der SD-Mann räusperte sich nervös. »Ihre Freundin hat wehrkraftzersetzende Briefe geschrieben«, erklärte er.
Sonja widersprach nicht.
Mit einem leisen Fluch wandte sich der SD-Mann ab und ging zum Schreibtisch. »Wann fährt die Truppe?« fragt er, als er einen Notizblock heranzog.
»In einer Woche.«
»Leiter?«
»Spielleiter Fritz Garten. Einsatzbereich Ost.«
»Gut.« Der SD-Mann riß den Notizzettel vom Block und legte ihn auf seine Schreibmappe. »Schließlich ist das Fronttheater ja auch eine Art Kriegseinsatz«, versuchte er sich zu beruhigen. »Die Freistellung wird morgen mit der Post …«
Er unterbrach sich, als Sonja mit einer graziösen Bewegung aufstand und den Rock über ihren Hüften glattstrich. »Das heißt, ich könnte Ihnen den Brief auch …«
»Sprechen Sie sich ruhig aus«, ermunterte Sonja ihn.
»Mein Dienst ist um sieben Uhr zu Ende.«
»Und Sie meinen, ich sollte Sie abholen?«
Der SD-Mann nickte stumm und sah sie mit hoffnungsvollen Augen an.
»Wenn Sie versprechen, daß Sie den Brief bei sich haben.«
Wieder sein Nicken. »Wie heißen Sie eigentlich?« fragte er dann.
»Sonja.«
»Ich heiße Emil Heumann.«
Irene und Fritz Garten warteten in einem kleinen Café auf Sonjas Rückkehr. Sie tranken ein Heißgetränk, aßen harten Hefekuchen und starrten unablässig auf die Tür.
Und dann kam Sonja, strahlend wie immer. »Geschafft, Kinder!« verkündete sie. »Der Kerl hat angebissen.« Sie setzte sich an den Tisch. »Heute abend will er mit mir ausgehen.«
»Du wirst einfach nicht erscheinen«, sagte Garten.
»Ach nee! Damit er sauer wird und sich Lores Freistellung nochmal überlegt?«
»Das – das habe ich nicht gewollt.« Fritz Garten sah ratlos zu Irene. »Aber was sollen wir denn nun …«
»Laßt man, Kinder.« Sonja legte ihm die Hand auf die Schulter. »Ihr macht euch viel zuviel Gedanken«, sagte sie fröhlich. »Ich werde den Schreibtischhelden so voll Schnaps laufen lassen, daß er morgen früh alles glaubt, was man ihm erzählt. Ich habe da so meine Erfahrungen.«
Am nächsten Vormittag legte Sonja Lores
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