Fronttheater
beide Arme um seinen Hals geschlungen.
Über den Kopf seiner Schwester sah Dr. Hans Berthold sie an.
»Erika«, flüsterte er fast unhörbar.
Erika senkte den Kopf, dann ließ sie Fritz Garten allein und schritt auf Dr. Berthold zu. Sie streckt ihm beide Hände entgegen.
Er ließ seine Schwester frei und ergriff Erikas Hände.
»Hans«, stammelte sie, »Hans, du bist hier …«
Weiter kam sie nicht, denn Dr. Berthold wurde am Ärmel gepackt und mit fortgerissen.
Einer der Verwundeten bäumte sich auf und schrie. Dr. Berthold mußte helfen. Für ihn durfte es jetzt keine Liebe geben und kein persönliches Gefühl. Er konnte mit seinen Händen Menschenleben retten. Er durfte jetzt auch nicht zusätzlich seelisch belastet werden.
Das überlegte sich Erika und nahm sich vor, ihm nicht weh zu tun. Wenn sie hier jemals wieder lebend herauskommen sollten, dann würde sich alles klären.
Die Verwundeten wurden in das Steinhaus getragen, in dem schon die Verwundeten von Kramers Einheit lagen und in dem man die Mädchen untergebracht hatte.
Sonja, Irene, Lore und Erika halfen beim Anlegen der Notverbände, brachten Wasser, wuschen blutende, dreckverkrustete Soldatengesichter, stützten einen um Atem ringenden Sterbenden auf.
Dr. Berthold begann in einem der Nachbarhäuser zu operieren. Wenn es eine ruhige Nacht gab, würde er einige von den Männern retten können.
Fritz Garten und Walter Meyer übernahmen die Unterstützung der wenigen Sanitäter und der Mädchen bei der Pflege der Verwundeten im Steinhaus und trugen die Bahren von und zur Kate, in der Dr. Berthold operierte.
Plötzlich ein Heulen, ein Donnerschlag.
Irene faßte Sonja am Arm und drückte sie neben der Tür an die Wand. »Wir kommen hier nicht mehr raus, hör doch, sie sind schon da«, stieß sie mit verzerrtem Gesicht und angstvoll geweiteten Augen hervor.
»Und wenn sie da sind«, sagte Sonja, und ihre Stimme zitterte nicht, »ich habe immer noch Hoffnung. Jetzt erst recht. Ich will leben!«
Fritz Garten und Walter Meyer stürzten zur Tür herein.
Draußen wütete ein Orkan. Ein Toben und Heulen und Donnern. Schlag auf Schlag. Die Wände zitterten.
»Sie greifen das Dorf an«, rief Garten, »bliebt ihm Haus, wir versuchen, Kramer zu finden.«
»Seht nach Hans«, bat Irene. Sie sorgte sich um ihren Bruder.
Leutnant Kramer und Doelles kamen keuchend angehetzt und stießen auf die beiden Schauspieler.
»Eine Partisanengruppe stürmt heran!« Leutnant Kramer berichtete, daß er die wenigen verfügbaren Leute zur Abwehr eingeteilt hatte. Die Munition war knapp. Noch sollte nicht geschossen werden. Man ließ die Angreifer langsam herankommen.
»Die Verwundeten und die Mädels sind hier im Steinhaus am sichersten«, meinte Garten »aber der Doktor sollte aus dem Holzschuppen ausziehen.«
»Wenn da eine reinfliegt«, sagte Doelles und rieb sich am Kinn, »na, dann gute Nacht!«
Leutnant Kramer zog Garten beiseite und erkundigte sich nach dem Ausgang der Unterredung mit dem Kulturleiter.
»Haben Sie mit ihm abgerechnet? Na, wie es auch sei, der Kerl befindet sich hier im Ort, und wenn wir nicht davonkommen, hat seine Stunde auch geschlagen.«
»Genau das habe ich Planitz gesagt, Leutnant, ehe er davonlief. Er hat wohl noch fortkommen wollen aus diesem Hexenkessel.«
»Verdammt, wenn den die Partisanen erwischt haben, sind wir verraten! Der Mann wußte doch, daß wir keine Chance mehr haben!« Leutnant Kramer wischte sich mit dem Jackenärmel über die Stirn. »Haben wir diesem Schuft den Überfall zu verdanken?« fragte er.
Garten sah Planitz vor sich, vor Angst zu allem entschlossen, selbst zum Mord an einem Kind. Warum hatte er ihn laufen lassen? »Um seine Haut zu retten, würde ein Charakterschwein wie Planitz auch Tausende von Menschen aufs Spiel setzen«, sagte er.
Walter Meyer und Obergefreiter Doelles gestikulierten wild und zeigten in die gleiche Richtung.
»Herr Leutnant, man kann sie schon mit bloßen Augen sehen!« rief Doelles und hielt es nicht mehr aus. »Kann ich mal schnell zu Lore?«
»Ja, hau schon ab!«
Als Doelles davon sprang, rauschte eine Granate heran. Kramer, Garten und Meyer warfen sich lang hin. Mit ohrenbetäubendem Krachen schlug die Granate ganz in ihrer Nähe ein.
Holz splitterte, wirbelte durch die Luft. Schreie gellten. Sie gingen im Granatfeuer unter.
»Laufen Sie ins Steinhaus, Garten«, keuchte Leutnant Kramer und kam hoch. »Beruhigen Sie die Mädels und schicken Sie Doelles zurück!«
Die
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