Froschkuss (German Edition)
verschwanden dann lachend und laut redend im Hauseingang. Ich verstand nur wenige Wortfetzen: „Die Idee ist einfach super“ und: „das wird einschlagen wie eine Bombe.“ Ich wartete noch eine Minute, dann überquerte ich die Straße und näherte mich unauffällig dem Gebäude, innerlich bereit, sofort auf dem Absatz kehrt zu machen, um zu verschwinden. Ich sah, dass sich im unteren Geschoss gar keine Wohnung, sondern ein Büroraum mit großen Fenstern befand. Ich lugte durch die Büsche des Vorgartens hindurch und erkannte, wie Leon, Betty und Nele an einem großen weißen Holztisch Platz nahmen. War dies eins dieser Projekttreffen, von denen Leon vor einiger Zeit gesprochen hatte? Ich ärgerte mich, dass er mir gar nichts darüber erzählt hatte. Ich schlich zur Eingangstür und entdeckte ein silbernes Firmenschild:
sturmerprobt
Agentur für Gestaltung und Werbung
Inh. Nele Langenau
Offensichtlich war diese magere Nele mit ihren kurzen roten Haaren und dem Nasenpiercing eine Geschäftsfrau mit eigenem Büro. Das hätte ich nun nicht gedacht, musste ich mir eingestehen. Bei unserer ersten Begegnung in meiner Wohnung hatte ich mir vorgestellt, dass sie vielleicht Studentin war oder auch arbeitslos. So konnte man sich täuschen.
Karla kam mir frisch geduscht und mit rosigen Wangen entgegen: „Mensch, wo bleibst du denn?“, begrüßte sie mich und küsste mich auf beide Wangen. Sie trug ein fließendes schwarzes knielanges Wickel-Baumwollkleid und hatte sich ein knallrotes Tuch um die Schulter geworfen. „Sorry“, erwiderte ich, „ich habe keinen Parkplatz gefunden.“ Sie lachte: „Kein Problem, so hatte ich Zeit, mich noch zu schminken. Ich freu’ mich schon aufs Kino.“ Auf dem Weg dorthin erzählte ich ihr von meiner Beobachtung. Karla klappte den Sonnenschutz herunter und betrachtete sich im Spiegel. „Vielleicht haben die einen gemeinsamen Auftrag an Land gezogen, wäre doch denkbar, oder?“
„Ich weiß nicht“, erwiderte ich stirnrunzelnd, „da muss mehr dahinterstecken.“
Als wir im Kino saßen, rauschte der Film an mir vorbei, während ich eine Hand voll Popcorn nach der anderen in mich hineinmümmelte. Ich musste die ganze Zeit an den Anruf von Lars denken. Seine Stimme hatte sich so lieb angehört, allein die Erinnerung daran ließ mich erschaudern. Sicher war sein Ausbruch bei der Redaktionskonferenz das Resultat seines Dauerstresses als Chefredakteur und Herausgeber. Vielleicht ging es Citylight ja wirklich schlecht. Alle Zeitungen und Zeitschriften, die ich kannte, hatten in den vergangenen Monaten weniger Anzeigenkunden für sich gewinnen können. Die Leute kauften zudem immer weniger Print-Magazine, da sie das kostenlose Angebot aus dem Internet bevorzugten. Möglicherweise blieb Lars gar nichts anderes übrig, als sein Baby einem solventen Investor zu verkaufen. Ich fragte mich, welche Rolle Celine spielte. Ob sie tatsächlich in irgendeiner Beziehung zu Bernd Blome stand? Ich musste auf jeden Fall einmal Betty anrufen. Vielleicht würde ich dann auch erfahren, was es mit dem Treffen im Büro von Nele auf sich hatte. Ich steckte mir die letzten Krümel Popcorn in den Mund. Nun war mir schlecht.
Als ich nach Hause kam, war Leon noch nicht wieder zurück von seinem Meeting. Das schien eine länger andauernde Angelegenheit zu sein. Was die wohl alles zu besprechen hatten? Oskar kam mir entgegengehoppelt, und ich streichelte ihn hinter seinen flauschigen Ohren: „Du bist wirklich der süßeste Hase der Welt“, sagte ich zärtlich. Plötzlich fühlte ich mich müde und ausgelaugt, deshalb sprang ich unter die Dusche und schlüpfte danach in meine alten Joggingklamotten. Eigentlich müsste ich morgen gleich Sport machen, nach diesem Popcorn-Konsum im Kino. Karla war von Karim abgeholt worden und jetzt bestimmt schon unterwegs nach Hamburg. Noch immer konnte ich es kaum fassen, dass die beiden jetzt verlobt waren. Ob sie nach der Heirat zusammenziehen würden? Womöglich würde meine Freundin sich dann eine Stelle in Hamburg suchen, vielleicht sogar schwanger werden. Dann würden wir uns bestimmt nicht mehr so viel sehen können.
Ich legte mich auf das Sofa und rückte mir ein Kissen unter meinem Kopf zurecht. Obwohl ich so müde war, hatte ich keine Lust, ins Bett zu gehen. Ich zappte mich durch die Programme, aber um 23 Uhr lief wirklich gar nichts mehr, außer Wiederholungen und alte Tatortfolgen. Schließlich blieb ich bei einem Shopping-Kanal hängen. Eine
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