Froschkuss (German Edition)
schön Sie zu sehen.“ Ich bugsierte die beiden vor die Balustrade, um die Förde mit ins Bild zu bekommen. Danach stellte mich Lars einem Herren um die sechzig vor, der ein Tweed Jackett trug und mich mit seinem länglichen Gesicht und den buschigen Augenbrauen ein wenig an Prince Charles erinnerte. Er hieß Von Meilenstein und war der Vorsitzende einer Kulturstiftung. „Fräulein Grashorn“, sagte er knarrend, „schön Sie kennen zu lernen.“ Offensichtlich war dieser Kulturheini glücklich, endlich eine Gesprächspartnerin gefunden zu haben, die der „schreibenden Zunft“ angehörte, wie er sich ausdrückte. Er beugte sich zu mir hinunter und flüsterte: „Ich schreibe nämlich auch!“
Oh je, dachte ich, lächelte aber tapfer. „Was schreiben Sie denn so?“
„Ich bin gerade dabei, meine Lebenserinnerungen zu Papier zu bringen. Ich komme aus Ostpreußen, müssen Sie wissen, wir sind damals geflüchtet und haben hier in Ostholstein eine neue Heimat gefunden. Das ist doch interessant, oder?“
„Auf jeden Fall!“, antwortete ich und unterdrückte ein Gähnen.
„Haben Sie denn schon einen Verlag?“
Die Miene meines Gesprächspartners verdüsterte sich: „Leider nein! Diese Verleger können Qualität einfach nicht erkennen. Meine Geschichte sei für ihre Zielgruppe nicht interessant genug! Das muss man sich mal vorstellen“, sagte er entrüstet.
Ich trat von einem Fuß auf den anderen. „Aber davon lasse ich mich nicht abhalten“, fuhr mein Gesprächspartner fort, „die kommenden Tage werde ich mich wieder zum Schreiben zurückziehen.“ Er tippte mit dem Zeigefinger an seine Stirn: „Die Geschichte ist schon in meinem Kopf.“
„Und um was geht es denn in ihrer Story?“
Von Meilenstein flüsterte nun, als ob er Angst hätte, dass ihm jemand seinen Besteller in spe klaut: „Ich erzähle die Geschichte eines Jungen, der mit seiner Familie aus Ostpreußen flüchtet und hier in Ostholstein eine neue Heimat findet.“ Er schaute mich an und kniff seine kleinen Augen zusammen. „Wollen Sie mir nicht beim Schreiben helfen?“
„Wie meinen sie das?“, erwiderte ich und bemerkte plötzlich, dass mich Lars, der mit Blome immer noch dort stand, wo ich die beiden abgelichtet hatte, beobachtete. Die Hitze schoss mir in den Kopf und mein Herz klopfte wie wild.
„Hören Sie mir überhaupt zu?“ Von Meilenstein tippte mir auf die Brust, etwas, das ich gar nicht leiden kann.
„Sie wollen mit mir etwas Schreiben?“
„Ja, genau!“
„Und wo soll das Ganze stattfinden?“, fragte ich und schielte möglichst unauffällig zu Lars hinüber. Tatsächlich: Er schaute immer noch in meine Richtung, und da Celine weit und breit nicht zu sehen war, konnte nur ich gemeint sein. Dies würde unser Abend werden! Mein Gesicht glühte.
„Ich wohne auf einem Gut in der Nähe von Selent“, raunte mir Von Meilenstein ins Ohr. „Ich würde mich sehr freuen, Sie dort empfangen zu können, gern auch über Nacht.“
„Sie möchten, dass ich mit zu Ihnen komme?“, fragte ich so laut, dass sich die Gäste, die in unserer Nähe standen, neugierig umdrehten. „Über Nacht?“
„Sind Sie verrückt“, presste mein Gesprächspartner hervor, „was denken Sie von mir! Ich bin ein Ehrenmann!“
Auf einmal hatte es Von Meilenstein ganz eilig, er habe einen Bekannten gesehen, den müsse er erst einmal begrüßen: „Man sieht sich“, sagte er zum Abschied.
Hoffentlich nicht, dachte ich und schaute erneut zu Lars, und in diesem Moment trafen sich unsere Blicke.
Drei Sekunden lang.
Dann lächelte er.
Dies waren die drei Sekunden, die mein Leben verändern würden, da war ich mir sicher. Das konnte man doch in jeder Frauenzeitschrift nachlesen. Ich erinnerte mich noch genau an den Text, den ich in der Bella gelesen hatte:
Signalisieren Sie Interesse, indem Sie ihr oder ihm in die Augen blicken. Häufig reagiert der andere zunächst verunsichert und schaut kurz zur Seite. Wird der Blick dann aber erwidert und sogar noch gelächelt, gilt das als Einladung für einen Kontakt.
Ich war so etwas von aufgeregt und schwebte buchstäblich auf Wolke sieben. Auf dem Weg zum Klo – ich musste mir unbedingt die Nase pudern und Deo unter die Achseln sprühen – wurde ich von Dominic und Sophie abgefangen, die mir eine Flasche Sekt entgegenhielten – „Jetzt wird gefeiert“ – und mich einfach mit zum nächsten freien Tisch nahmen. Meine Kollegen hatten schon ordentlich einen gepichelt, Sophie kicherte die ganze Zeit
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