Froschkuss (German Edition)
Sonia, da muss nichts mehr geändert werden.“ Er bat mich, kurz Platz zu nehmen. „Celine fällt leider noch ein paar Tage aus“, begann er und blickte kurz auf sein iPhone (hoffte er auf eine SMS von ihr?). „Ich wollte dich bitten, bei unserem Kieler-Woche-Empfang die Fotos zu machen. Eigentlich hatte ich Celine darum gebeten. Aber du kannst das bestimmt genauso gut, oder?“
Ich verschränkte meine Arme vor der Brust: „Mmm.“
Erneut runzelte Lars die Stirn und fixierte mich mit seinen grüngrauen Augen, was bei mir ein unbehagliches Gefühl hervorrief: „Ja, kann ich machen.“
„Okay, dann mal an die Arbeit!“
Ich erhob mich und zog meinen rosa Kaschmirpulli nach unten. „Geht es Celine denn besser?“
„Ja, Ja!“, erwiderte mein Chef und studierte ein Fax, das vor ihm auf dem Schreibtisch lag. „Nächste Woche kann sie wieder arbeiten.“
Zu gern hätte ich noch gefragt, was Celine denn nun eigentlich hatte, aber die Körpersprache von Lars war eindeutig: Meine Anwesenheit in seinem Büro war nicht mehr erwünscht. Ich ging in die Küche, um mir einen Tee aufzubrühen, denn irgendwie hatte ich ein mulmiges Gefühl im Magen. Mist, jetzt konnte ich den ganzen Kieler-Woche-Empfang Fotos von den Gästen machen und die anderen durften schön feiern. Dabei hatte ich mich schon so auf die Veranstaltung gefreut. Eigentlich hatte ich vorgehabt, mich mit Sophie und Dominic in eine Ecke zu verziehen, um von dort alles zu beobachten und es uns gut gehen zu lassen. Das hatten wir im vergangenen Jahr nämlich auch gemacht!
Gegen Mittag hielt ich es vor Hunger nicht mehr aus. Mein Magen knurrte so laut, das konnte man bis zum Nordpol hören. Ich radelte daher zur Holtenauer Straße, um mir beim Spar-Markt etwas zu essen zu kaufen. Ich schnappte mir einen Einkaufswagen und wog zwei Äpfel ab. Dann steuerte ich rechts entlang zum Kühlregal und entschied mich für einen Bio-Magermilchjoghurt mit Blaubeeren. Das hörte sich doch ganz lecker an, aber würde mich das auch satt machen? Mein grummelnder Magen bezweifelte das, deshalb entschied ich mich, noch eine Packung Dinkelkekse zu kaufen, die laut Beschreibung lauter wertvolle Ballaststoffe enthielten. Zwei Kassen hatten offen und ich stellte mich hinter die linke Schlange, was ein Fehler war, wie sich herausstellen sollte. Vor mir standen vier Kunden, darunter auch eine dralle Blondine mit hoch toupierten Haaren und genervtem Gesichtsausdruck. Der junge Kassierer, wahrscheinlich ein Auszubildender, hatte gerade einen Fehlbon produziert und kratzte sich nervös am Hinterkopf. Er hatte ein schmales Gesicht und eine Justin-Bieber-Frisur, also die neue Version mit nach oben gestyltem Pony und kurzen Nackenhaaren, und trug ein breites Lederarmband mit Nieten. Sein Chef, ein stiernackiger Typ im weißen Kittel, kam angelaufen, um die Kasse zu öffnen. „Das wird aber auch mal Zeit“, echauffierte sich nun die Blondine, „ich steh’ hier nun schon seit zehn Minuten an der Kasse, und das in meiner Mittagszeit!“ Sie stemmte beide Arme in ihre speckigen Hüften. „Das ist wirklich eine Unverschämtheit.“
Der Filialleiter sagte, dass es gleich weitergehe, und die Mutter hinter mir, die ihren Säugling in einem handgewebten bunten Tragetuch um den Bauch gebunden trug, zischte der aufgebrachten Dame zu, dass sie sich jetzt mal nicht so aufregen solle.
„Sie haben gut reden!“, keifte die Blondine und plusterte sich auf wie eine Henne, die gleich zwei Eier auf einmal legen würde. „Sie haben doch den ganzen Tag Zeit!“
Endlich war die Blondine an der Reihe. In Windeseile verstaute sie ihren Einkauf in einer riesigen roten Umhängetasche, knallte dem Kassierer einen Fünfzigeuro-Schein auf das Förderband, nahm das Wechselgeld entgegen und zog grußlos und schimpfend von dannen: „Das ist eine solche Frechheit! Das ist doch nicht zu glauben. Die werden mich noch kennen lernen ...“
Der Filialleiter schaute seiner Kundin nach, bis sie endlich verschwunden war. „Mach dir nichts draus!“, sagte er zu seinem Azubi und klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter: „Die ist immer so! Die kennen wir schon, einfach ignorieren.“
Nachdem ich bezahlt hatte, ging ich noch zum Bäcker, der sich direkt gegenüber den Kassen befand, um mir noch eine Laugenstange zu kaufen. Am Tresen standen nur zwei Frauen, die eine von ihnen schob einen blauen Kinderwagen mit weißen Rädern sanft hin und her. War das nicht ...? „Hi Sonia“, begrüßte mich Betty, die einen
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