Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frostbite

Frostbite

Titel: Frostbite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Wellington
Vom Netzwerk:
sterbe
ich selbst. Ich bringe mich vorher um – aber ist das überhaupt noch
möglich?«
    »Klar.« Er lächelte wieder. »Ja, da gibt es Möglichkeiten. Kugeln,
Gift, Fallen, das alles kann dir so gut wie nichts anhaben. Aber Silber …«
    »Silberkugeln?«, fragte sie viel zu eifrig.
    »Jede Art von Silber reicht aus«, antwortete er. »Silbermesser, in
Wasser aufgelöstes Silber, das du trinkst, silberne Reißnägel, die du dir in
den Fuß trittst. Das ist wie eine wirklich schlimme Allergie, verstehst du?
Bekommst du Silber in dein System, kippst du um wie ein geschlachteter Ochse.«
Er hob die Schultern. »Natürlich haben wir hier oben aus offensichtlichen
Gründen nicht viel Silber herumliegen. Aber du könntest Monty fragen. Hör zu,
wenn du das willst, dann können wir dir helfen.« Er legte ihr eine
behandschuhte Hand auf die Schulter. »Versprochen.«
    Sie schüttelte den Kopf. Wollte sie das wirklich? Vielleicht. Aber
noch nicht.

12   Irgendwann
kam Powell aus seinem Schuppen hervor. Chey beobachtete ihn durch ein Fenster
des kleinen Hauses und war sich nicht sicher, was sie denken oder tun sollte.
Er wusste Einzelheiten, kannte Zusammenhänge,
die sie in Erfahrung bringen musste. Trotzdem ertrug sie den Gedanken
nicht, ihn um nähere Erklärungen zu bitten.
    Als er sich aber zu Fuß in die Wälder schlug, verspürte sie sofort
den Drang, ihm zu folgen. Sie schlüpfte aus dem Haus, betrat den Wald und
versuchte einen möglichst unauffälligen Eindruck zu machen. Versuchte sich so
zu verhalten, als hätte sie gerade den Entschluss gefasst, selbst einen
Spaziergang zu unternehmen.
    Es gelang ihr nicht. Wie groß der Vorsprung auch sein mochte, den
sie ihm ließ, er war sich offenbar ständig ihrer Anwesenheit bewusst. Er hielt
inne, wenn er über einen moosbewachsenen Stamm stieg oder einen Ast vom Pfad
aufhob, um darunter durchzugehen, und erstarrte kurz, um einen Blick in ihre
Richtung zu werfen, bevor er seinen Weg fortsetzte.
    Wenn er sie dann ansah, blickten seine Augen nicht so hart, wie sie
sie in Erinnerung hatte. Dabei sah er weder besorgt noch schuldbewusst aus.
Obwohl er das verdammt nochmal sein sollte, dachte
sie. Er wirkte vielmehr mitfühlend. Als erinnere er sich an das erste Mal, als
er sich in einen Wolf verwandelt hatte, als wisse er, dass sie sich in dem ihr
gemäßen Tempo in ihr Schicksal fügen musste.
    Schließlich war er das zeitlupenhafte Verfolgungsspiel leid. Auf
einer kleinen Lichtung blieb er stehen und wartete einfach. Als sie ihm nicht
folgte, wandte er sich nach einer Weile um und starrte sie an. Sie glaubte,
hinter einer Reihe peitschendünner Schösslinge mit dichtem Nadelbewuchs vollkommen verborgen zu sein, aber er fing
ihren Blick so mühelos ein, als stünden sie in einem ansonsten leeren Fahrstuhl
und gingen jedem Blickkontakt aus dem Weg.
    Leicht verlegen näherte sie sich, und er nickte. »Wir haben nicht
genug Zeit für diesen Mumpitz!«, rief er.
    Chey hatte es noch nie ausstehen können, gerügt zu werden, und bei
ihm missfiel es ihr noch mehr. »Mumpitz? Wer sagt heute denn noch Mumpitz,
außer vielleicht mein Opa?« Sie schüttelte den Kopf. »Außerdem ist es ja nicht
so, als hätte ich etwas Besseres zu tun.«
    Er schüttelte den Kopf. »Du musst anders denken lernen«, sagte er.
»Du musst anders über Zeit denken lernen. Die Zeit, in der der Mond
untergegangen ist, ist kostbar, denn das ist die einzige Zeit, in der du
wirklich du selbst sein kannst. Verschwende sie nicht!«
    Vielleicht wusste er ja, warum sie ihm gefolgt war. Sie setzte sich
auf einen feuchten Baumstamm und blickte erwartungsvoll zu ihm hoch, eine
Schülerin, die auf den Beginn des Unterrichts wartete.
    »Du wirst lernen, dir Mondaufgang und Monduntergang sehr genau
bewusst zu machen. An den meisten Orten ist es einfach, aber hier oben in der
Arktis ist nichts einfach. Dies ist das Land der Mitternachtssonne, richtig?
Und der Mondzyklus spielt hier ebenso verrückt. Zurzeit bewegen wir uns durch
eine Phase, in der der Mond länger da ist, in der der Mond jede Nacht früher
aufgeht und am nächsten Tag später untergeht. Nach einer Weile haben wir eine
sehr lange Mondphase – dann bleibt er fünf Tage über dem Horizont, bevor
er wieder verschwindet.«
    »Ich werde fünf Tage eine dieser … Kreaturen sein?«, keuchte sie.
    »Nein. Nicht der Teil von dir, der wirklich du bist«, sagte er. »Wir
teilen mit ihnen unsere Körper, aber nicht unser Bewusstsein. Sie denken ihre
eigenen

Weitere Kostenlose Bücher