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Frostbite

Frostbite

Titel: Frostbite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Wellington
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sowieso nur eine
freundschaftliche Annäherung. Dieses Mal.

14   Chey
erwachte steif und nackt – zusammen mit Powell, der ebenfalls nackt quer
über ihren Beinen lag. Sein Penis ruhte auf ihrem Oberschenkel. Er war nicht
gerade schlaff.
    »Igitt!«, stieß sie hervor.
    Ihr Herz pochte in reinem, unverfälschtem Ekel. Sie glaubte sich
übergeben zu müssen. Es war in Ordnung gewesen, dass er ihr die Hand auf die
Schulter gelegt hatte, aber dies hier – sie durfte nicht zulassen, dass
sie ihm näherkam. Nicht auf diese Weise. »Mein Gott!«, keuchte sie. Sie
zitterte am ganzen Leib, aber nicht wegen der Kälte. Sie schob sich unter ihm
weg und rannte hinter einen Baum. Als sie wieder in seine Richtung sah, waren
seine grünen Augen geöffnet und starrten sie
an. Aber er lag so reglos wie ein Toter auf dem Waldboden. »Das ist
nicht cool«, sagte sie. »Das ist eindeutig nicht cool.«
    Er bedeckte sich nicht. Er blickte nicht einmal an sich hinab. »Wozu
die Aufregung?«, fragte er. »Hast du noch nie das Ding eines Mannes gesehen?«
    »Das Ding eines Mannes? Sein Ding ? Wie alt
bist du, zwölf?« Sie wandte sich ab und bedeckte ihr Gesicht. Als sie wieder
hinsah, hatte er sich nicht bewegt. »Pack dieses Ding weg, bitte! Sofort.«
    Er wartete noch einen Moment. Dann lächelte er mit einer gewissen
Selbstzufriedenheit. Das gefiel ihr überhaupt
nicht. Schließlich setzte er sich auf und schlug die Beine übereinander,
damit er nicht mehr so … so entblößt zu sehen war.
    »Du hast doch gewusst, dass wir nach unserer Rückkehr völlig nackt
sind«, sagte er, was beinahe wie eine Entschuldigung klang.
    »Aber nicht, dass du quer über mir liegst!«
    Er hob die Schultern. »Was mein Wolf tut, habe ich nicht im Griff.«
    Eine frische Welle der Übelkeit schoss ihr die Speiseröhre herauf,
bis sie sie im Rachen schmeckte. »Oh. O mein Gott. Das haben
wir nicht im Griff. Das haben wir eindeutig nicht unter Kontrolle. Bitte sag
mir, dass wir nicht …«
    »Meine Erinnerungen sind bestenfalls verschwommen. Aber nein, ich
glaube nicht.«
    Immerhin eine gewisse Erleichterung. Sie schlang die Arme um den
Körper und verbarg ihre Brüste. »Ich kann mich nicht für den Rest meines Lebens
so verrenken. Sieh weg!«
    Er hob die Hände und bedeckte die Augen. »Dzo wird bald hier sein.
Ich versuche, dich nicht anzusehen, bis du angezogen bist.«
    Sie setzte sich auf einen weichen
Teppich aus Rentiermoos. Gänsehaut breitete sich auf ihren Armen aus, aber wenigstens wusste sie dieses Mal, dass sie
nicht an Unterkühlung sterben würde. Eine Weile beobachtete sie ihn und sah zu,
wie er die Hände fest vor die Augen presste. Nun fühlte sie sich allerdings ein
klein wenig schuldig. Sie war grob gewesen, musste sie sich eingestehen. Was er
gesagt hatte, stimmte alles.
    »Es tut mir leid«, sagte sie. Ihr Magen knurrte, und ihr wurde klar,
dass ein Teil ihrer Übelkeit möglicherweise nicht von dem Schrecken verursacht
worden war, nackt neben Powell aufzuwachen.
Ihr war, als hätte sie etwas gegessen, das ihr schwer im Magen lag. Eine
plötzliche Einsicht riet ihr, besser nicht
herausfinden zu wollen, was es gewesen war. »Natürlich hast du nicht darum gebeten, mit einem Wolf belastet zu werden,
der nicht einmal jagen kann. Ich habe mich bisher ziemlich grässlich
aufgeführt.«
    »Das ist verständlich«, räumte
Powell ein. »Du wolltest das alles ja nicht. Ich hoffe bloß, dass du mir irgendwann
verzeihst.«
    Sie setzte zu einer Erwiderung an. Dann biss sie sich so hart auf
die Unterlippe, dass sie blutete.
    Sie war im Begriff gewesen, einen Schritt in diese Richtung zu tun,
hatte reflexartig beinahe Ja gesagt und ihm vergeben, aber dann war ihr altes
Ich, ihr rein menschliches Ich, in ihrem Kopf zurückgezuckt und hatte sich
abwehrend gewunden. Nicht, solange du lebst , wollte
sie sagen. Niemals .
    Sie beschloss, das Thema zu wechseln. Irgendetwas anderes zu sagen,
was auch immer. »Ich bin so weit weg von meinen alltäglichen
Lebensgewohnheiten«, sagte sie. »Für mich ergibt hier oben nichts einen Sinn.
Kompasse zeigen nicht nach Norden. Es ist Mittsommer, die Tage dauern achtzehn
Stunden, aber es wird nie richtig warm. Und diese Bäume. Warum in aller Welt
zeigen die Baumspitzen alle in andere Richtungen? Ich war mein Leben lang der
Ansicht, dass Bäume immer gerade nach oben wachsen.«
    »Sie wuchsen ursprünglich auch nach oben.« Er rollte sich auf den
Bauch, die Hände noch immer vor den Augen. Streng genommen

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