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Frostbite

Frostbite

Titel: Frostbite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Wellington
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schießt ihn Tony da drüben in den Hinterkopf«, erklärte
Bruce.
    Keine zehn Meter entfernt saß ein Mann auf einer Tamariske. Ein Mann
mit einem sehr großen Schrotgewehr. Er war mit einem Bungeeseil am Stamm
festgebunden. Er hatte sich so gut mit Zweigen und Blättern getarnt, dass Chey
ihn nur entdeckte, weil er ihr mit einer weit ausholenden Armbewegung zuwinkte.
Beinahe wäre sie zusammengezuckt. »Ist das auch ein Bruder?«, fragte sie und
versuchte ihr Erschrecken zu überspielen.
    »Halbbruder«, antwortete Bruce. »Gleiche Ma, anderer Dad. Begrüßen
Sie Tony Balfour, meinen Scharfschützen!«
    Chey sah wieder zu dem Mann hinauf. »Hi«, sagte sie.
    Balfour schenkte ihr ein schmales Lächeln.
    »Er redet nicht viel«, erklärte Bruce.

41   Bruce
Pickersgill fuhr Chey auf der Ladefläche eines ATV zu dem kleinen See.
Das war eins der beiden Fahrzeuge, die die Schädlingsbekämpfer mitgebracht
hatten. Bei ihrer Ankunft entdeckte sie Bobby und Lester, die gerade ein
kleines Wasserflugzeug entluden, das seitlich ein Logo der Firma Western
Prairie Canid Management trug. Das Logo zeigte einen stilisierten Wolf, der die
Mondsichel anheulte.
    »Das ist aber ein seltsames Zeichen, wenn man Ihre Tätigkeit
bedenkt«, meinte Chey, als Bruce ihr vom Wagen half.
    »Ach? Wieso denn das?«
    Sie sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. »Ihr hasst doch
Wölfe«, versuchte sie ihren Einwand zu erklären.
    »Nein, das stimmt nicht«, erwiderte er und führte sie zur
Anlegestelle. »Das würde ich wirklich nicht sagen. Wir haben einen gesunden
Respekt vor ihnen. Wölfe sind wunderschöne Tiere wie alle Caniden.« Er blickte
auf, als wolle er sich an etwas erinnern. »Ich glaube, Tonys Pop hat zu Hause
sogar einen zahmen Coydog. Wir bieten bloß einen nützlichen Service für
Viehzüchter.«
    Chey beschloss, sich um Wichtigeres zu kümmern als um die
Psychoanalyse der drei Brüder. Sie lief auf Bobby zu, der gerade Pepsi aus
einer Dreiliterflasche trank. Auf einer Kiste vor ihm lag eine Reihe weißer
Papiertüten, und als sie näher kam, entnahm er einer der Tüten ein Stück
goldbraunes Gebäck.
    »O
Junge!«, entfuhr es ihr, als er sie zu sich heranwinkte. Vielleicht hatte er ja
doch etwas für sie übrig. »Täusche ich mich, oder ist es wirklich das, wofür
ich es halte?«
    »Das«, verkündete er, »ist ein echter Jam-Buster von Tim Hortons.
Ansonsten kann ich nicht erraten, wofür du
manche Dinge hältst.« Er reichte ihr das Hefeteilchen, und sie riss es ihm förmlich aus der Hand. Der
Zuckerguss klebte ihr sofort an allen Fingern und auf dem Pullover, aber das
machte ihr nichts aus. Die dicke, übersüße
Marmelade der Füllung spritzte ihr in den Mund, und sie stieß einen
Seufzer tiefen Entzückens aus. Der Donut schmeckte genauso, wie sie ihn in
Erinnerung hatte.
    Der Geschmack ließ alles wieder in ihr aufsteigen – heiße
Duschen, Klimaanlagen, gute Straßen und das nationale Gesundheitssystem.
Während sie das Gebäck vertilgte, war sie wieder zurück in Edmonton, sogar
wieder ein Kind im Haus ihrer Mutter.
    »In der richtigen Welt war ich süchtig danach«, sagte sie. »Wenn man
nicht viel schläft, muss man mehr essen, und Tims hat als einziger Laden nachts
geöffnet. Ich saß immer auf dem Parkplatz, starrte das Neonschild an und fragte
mich, was aus dem fehlenden Apostroph in dem Namen geworden war. Dann schmeckte
ich eines dieser Dinger und vergaß, warum mich das überhaupt interessierte. Das kannst du nicht verstehen, Bobby – das
ist der Geschmack von zu Hause. Bitte sag mir, dass du in den Tüten elf weitere
Donuts hast.«
    »Die sind nicht alle für dich«, schränkte er ein, aber dann schob er ihr eine Tüte auf der Kiste entgegen.
Sie riss sie auf und fand eine Auswahl an Donuts und Timbits. Sie verschwendete keine Zeit und schlang alle
hinunter. Schließlich hatte sie seit vierundzwanzig Stunden nichts mehr
gegessen.
    »Die Jungs hast du ja kennengelernt«, sagte Bobby, während sie aß. »Das freut mich. Du sollst dich wie
ein Teil dieser Operation fühlen, Chey. Das ist mein Ernst.«
    Sie nickte zustimmend.
    »Wenn ich Powell töte, dann will ich, dass du dabei bist. Diese
Befriedigung möchte ich dir verschaffen. Haben sie dir die Fallen gezeigt?«
    »Sie nennen sie Köder.«
    Bobby nickte und nahm ein Brecheisen. Er öffnete die Kiste. »Ehrlich
gesagt glaube ich nicht, dass er so dumm ist und darauf hereinfällt. Und ihr
Lockmittel ist falsch – das ist für Timberwölfe gedacht,

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