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Frostbite

Frostbite

Titel: Frostbite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Wellington
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Dröhnen von Hammerschlägen. Noch eine Sekunde, dachte sie. Dann würde
sie nach unten steigen und sich zu den anderen gesellen. Ja. Darauf freute sie
sich. Aber zuerst musste sie sich vergewissern, dass das Tier in ihr ihren
einzigen Zufluchtsort nicht zerstört hatte.
    Chey wandte sich langsam um. Es war nicht ganz so schlimm wie
erwartet. Die Furchen waren da, ja, aber nur an einigen Stellen. Ihre Wölfin
hatte sich nicht durch den Fußboden gegraben. Chey hatte befürchtet, sie hätte
möglicherweise einen Weg nach draußen gefunden. Obwohl sie so gut wie keine
Erinnerung an die vergangenen achtzehn Stunden hatte, wusste sie dennoch, dass
die Wölfin auf verzweifelte, beinahe mitleiderregende Weise aus dem Turm hatte
entkommen wollen. Anscheinend war der Fußboden aber zu dick dafür.
    Chey glättete ihr wirres Haar und rieb sich getrockneten Speichel aus
dem Mundwinkel. Vielleicht konnte sie ja in Powells großer Wanne ein Bad
nehmen. Vielleicht konnte sie Bobby und Lester überzeugen, genügend Wasser zu
erhitzen, damit das Bad tatsächlich auch warm wäre. Sie bückte sich und griff
nach dem Ring in der Falltür, bereit, sich wieder in angenehme Gesellschaft zu
begeben.
    Die Falltür bewegte sich einen halben Zentimeter in die Höhe, mehr
nicht. Selbst mit ihrer übermenschlichen Kraft konnte Chey sie nicht weiter
heben. Die Erklärung war einfach, obwohl sie es nicht glauben wollte. Bobby
hatte sie in dem Turm eingesperrt.
    Sie konnte keine Minute länger hier oben bleiben, oder sie würde
durchdrehen. Sie musste ins Freie.
    Chey trommelte und hämmerte gegen
die Falltür, dann rannte sie zu dem geöffneten Schlagladen und schrie hinaus,
dass jemand kommen und sie hinauslassen solle – egal, wer. Jemand stieg
die Metallstufen herauf, dann war das Geräusch eines Vorhangschlosses zu hören,
in dem sich ein Schlüssel drehte. Als sich die Falltür öffnete, blickte ihr ein
unbekanntes Gesicht entgegen.
    »Sie müssen der Schreihals sein«, sagte das Gesicht. Es gehörte
einem Mann mittleren Alters mit einem kantigen Kinn und einem sauber kahl
rasierten Kopf. Seine Schultern waren breit, seine Hände gewaltig. Chey sah zu,
wie er nach dem Rand der Falltür griff und sich hochzog. »Frank Pickersgill,
erfreut, Sie kennenzulernen.«
    Er streckte eine dieser großen Hände aus, und sie ergab sich dem
festen, fleischigen Griff. Er drückte ihre Hand nicht zur Begrüßung, sondern
umschlang sie, so wie Chey vielleicht eine Babyhand umschlungen hätte.
    »Sie müssen ein Freund von Bobby sein«, sagte sie. »Ich meine,
Mister Fenech. Ist er in der Nähe?«
    »Er ist draußen am See, koordiniert alles. Hat die Aufsicht«, sagte
Pickersgill und schüttelte leicht den Kopf, als sei er der Ansicht, dass Bobby
seine Talente besser anderweitig einsetzen
sollte. »Es wird ihn freuen, dass Sie wieder auf den Beinen sind.«
    »Er hat mich eingesperrt«, erklärte
Chey und wandte den Blick rasch von Pickersgill ab. Vielleicht zu rasch.
    »Ach, nun – das war bloß zur
Sicherheit«, erklärte der große Mann. Er schob sich ganz in den Turm
herein, und Chey sah, dass er über zwei Meter groß war. Die Bodenbretter, die
der Wut des Wolfs standgehalten hatten,
ächzten leicht, als er sich hinsetzte und die Beine aus der Falltür
hängen ließ.
    Chey nickte. Das konnte sie sogar nachvollziehen. Auch wenn ihre
Wölfin bisher die Tür noch nicht hatte öffnen können, verstand sie durchaus
Bobbys Befürchtung, das Tier könne den nötigen Dreh irgendwie herausfinden.
»Ich muss gehen«, sagte sie, weil es ihr innerhalb der Wände des Feuerturms
einfach zu eng wurde.
    Sie eilte die Stufen hinunter und hörte, wie Pickersgill ihr folgte.
Unter seiner Masse ächzte und erbebte das
Metallskelett des Turms. Unten angekommen, fragte sie sich, was sie nun tun sollte. Am liebsten wäre sie
losgelaufen – so weit sie ihre Beine trugen. Aber sie wusste einfach
nicht, in welche Richtung. Sie wandte sich um, ließ die Blicke umherschweifen,
atmete die frische Luft tief ein. Dann bemerkte sie die Rohre.
    Während ihre Wölfin am Turmboden gekratzt hatte, war jemand,
vermutlich Pickersgill, fleißig damit beschäftigt gewesen, PVC-Rohre in den Boden
zu hämmern. Ein Dutzend von ihnen bildete jeweils ein paar Meter voneinander
entfernt einen Kreis um den Turm. Man hatte
sie schräg zum Boden eingeschlagen, und sie zeigten auf den Wald und
erinnerten Chey an die Kanonen auf einem Piratenschiff. Ein seltsamer Geruch
strömte aus dem Rohr neben

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