Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frostbite

Frostbite

Titel: Frostbite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Wellington
Vom Netzwerk:
Hand, eine sehr
menschliche Hand, griff durch das schwarze
Loch und schob eine Plastiktüte über den Boden. Dann zog sich die Hand zurück, und die Tür schloss sich
wieder.
    Chey griff nach der Falltür, versuchte sie zu packen. Sie vermochte
kaum über den Boden zu kriechen. Die Tür war bereits geschlossen. Der
Arm – sie hatte den Arm gesehen, er war
keine Halluzination gewesen. Davon war sie fest überzeugt. Der Arm war
braun gewesen. Es war Lesters Arm gewesen.
    »Lester!«, rief sie. »Komm schon, Lester, es ist alles in Ordnung!
Du kannst hereinkommen. Lester! Hör zu, ich
weiß, dass ich gefährlich bin. Ich weiß, dass ich Angst und Furcht
verbreite. Aber ich bin auch ein Mensch. Das ist nicht okay, Lester. Es ist
einfach nicht okay, Menschen auf diese Weise im Stich zu lassen! Das ist
verflucht noch mal nicht angemessen. Lester! Komm zurück. Komm … komm einfach
zurück! Bitte! Komm zurück!«
    Sie drückte das Gesicht gegen die Falltür. Presste Nase und Wange
gegen das Holz. Sie schluchzte. War er da? Sie stellte sich sein Gesicht vor,
das nur wenige Zentimeter von ihr entfernt war. Sie stellte sich vor, dass er
den Kopf hob und durch das Holz hindurchsah, so wie sie ihn sah.
    Das Vorhängeschloss schnappte zu. Der Feuerturm erzitterte, als er
die Stufen hinuntertrampelte. Dann nichts mehr. Hätte Chey nur etwas mehr Kraft
gehabt, hätte sie sich auf die Füße gestellt und die Schlagläden geöffnet. Ihm
hinterhergebrüllt. Hätte sie nur etwas mehr Kraft gehabt. Aber die hatte sie
nicht. Sie hatte überhaupt keine Kraft mehr.
    Sie weinte, bis sie wieder ganz ausgetrocknet war, dann schloss sie
die Augen.
    Später öffnete sie die Plastiktüte.
Sie enthielt ein paar Sandwiches, alle die gleichen. Schinken mit einem
vergammelten Salatblatt auf Weißbrot. Die ersten beiden verschlang sie auf der
Stelle, stopfte sie sich einfach in den Mund, kaute gerade so gründlich, um
nicht daran zu ersticken, schluckte sie unter Schmerzen hinunter. Sofort wurde
ihr übel. Das war zu viel gewesen, zu schnell. Doch wenn sie sich übergab,
würde sie sich danach nur noch schlechter fühlen. Sie legte den Rest zur Seite.
Nahm sich fest vor, sie erst später zu essen.
    Ihr Körper protestierte. Aber sie
fühlte, wie ihr Magen wieder arbeitete. Wie die Verdauung sich regt.
    Die Tüte enthielt auch zwei
Magazine. Eine alte Ausgabe von Outdoor Life und ein relativ neues Flare , was sie überraschte. Was
wollten die Pickersgills mit einem Modemagazin? Dann bemerkte sie, dass die
Hälfte der Seiten zusammenklebte.
    Chey legte die Zeitschriften zur Seite und hob die Tüte, um
herauszufinden, was man ihr sonst noch mitgebracht hatte. Die Tasche war so
schwer, dass sie ihr aus den Fingern glitt. Sie hob sie erneut auf und zog den
Rest des Inhalts heraus. Eine Pistole. Eine kantige schwarze Pistole. Sie ließ
das Magazin herausgleiten und fand darin eine einzige Silberkugel.

45   Chey
hob die Pistole und nahm sie in Augenschein, als hätte man eine verborgene
Nachricht darauf eingraviert. Irgendeine Erklärung, warum man sie zusammen mit
den Sandwiches und den Magazinen in die Tasche gesteckt hatte.
    Aber als sie darüber nachdachte, gab es eigentlich nur einen Schluss. Eine Pistole mit lediglich einer
Kugel war nur für eine begrenzte Anzahl von Einsätzen zu gebrauchen. Und
nur ein einziger Einsatz ergab in ihrer Situation einen Sinn. So allein, wie
sie war.
    Die Pistole war Bobbys
Abschiedsgeschenk. Ein letzter Beweis für seine Gefühle ihr gegenüber.
Er zeigte sich barmherzig. Dieser Gedanke zauberte ein verrücktes Lächeln auf
Cheys Gesicht. Nein, sie hatte ihm nie etwas bedeutet. Er hatte sie nicht
geliebt. Anders konnte es gar nicht sein. Er hatte sie nur für seine Zwecke
missbraucht, als Lockvogel benutzt, um Powell aus seinem Versteck zu holen.
    Seine angebliche Zuneigung zu ihr,
seine Worte – wenn sie still dalagen und sie ihn nach dem Sex
berührte –, das alles war nicht ehrlich gemeint gewesen. Es war kalkuliert
gewesen, hatte eine bestimmte Wirkung erzielen sollen, und in dieser
Hinsicht war er erfolgreich gewesen. Er hatte
ein Problem – Powell –, und
sie bot die Lösung. Sie war ihm nützlich, was möglicherweise einer Zuneigung
noch am nächsten kam.
    Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie gekratzt werden würde.
Mitglied im Klub würde. Da das nun einmal geschehen war, war sie selbst zu
einem Problem geworden. Und die Pistole stellte die Lösung dar, die ihm
eingefallen war. Die

Weitere Kostenlose Bücher