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Frostbite

Frostbite

Titel: Frostbite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Wellington
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Ladefläche, als wäre er
während des Abladens verlassen worden.
    In Cheys Nähe hatte man einen kleinen Teil des Gebäudes als Büro
abgeteilt. Die großen Fenster waren entweder zerbrochen oder verdreckt, aber
drinnen entdeckte sie Schreibtische und Aktenschränke – vielleicht hing
dort auch Kleidung, die sie anziehen konnte. Sie begab sich zur Bürotür und zog
an der Klinke, erwartete eigentlich, dass sie
festgerostet war. Erwartete, ihre außergewöhnliche Kraft einsetzen zu
müssen, um sie zu öffnen. Stattdessen flog die Tür förmlich auf, und sie
stolperte zurück, verlor um ein Haar das Gleichgewicht. Als hätte jemand die
Tür aufgetreten.
    Und so verhielt es sich auch
tatsächlich. Bruce Pickersgill stand im Türrahmen, mitsamt Schurrbart, Pelzkragen
und allem anderen. Mit ausgestreckten Armen hielt er seine Pistolen, einen Lauf
auf Cheys Stirn gerichtet, den anderen auf ihr Herz.
    Er hatte den Befehl, sofort zu schießen. Chey schloss die Augen und
bereitete sich vor, das Unausweichliche hinzunehmen.
    Er schoss nicht.

52   Cheys
Füße trotteten mühelos über den aufgesprungenen steinigen Boden, während
Pickersgill hinter ihr stolperte und bei jeder Unebenheit fluchte.
    Bobbys Hubschrauber verharrte
reglos in der Luft, ungefähr einen halben Kilometer entfernt, ungefähr siebzig
Meter hoch. Die Plexiglaskanzel zeigte in ihre Richtung. Beobachtete er sie,
beobachtete er Pickersgill, wie er sie über eine Fläche voll spitzer Steine
scheuchte? Fragte er sich, warum sie noch nicht tot war? Vielleicht saß nicht
einmal er in der Maschine. Vielleicht schwebte bloß Lester dort oben.
    »Okay, rüber zu dem Mast!«, stieß Pickersgill hinter ihr hervor. Er
ging keine großen Risiken ein – sie musste die Hände hoch in die Luft
strecken, sonst rammte er ihr eine seiner Pistolen in den Rücken.
    Die Fläche war vermutlich einst ein Parkplatz gewesen. Hier und da
erhoben sich zehn Meter hohe Masten, von denen jeder von zwei Lichtbogenlampen
bekrönt wurde, die schon vor langer Zeit zerbrochen waren. Die meisten waren so
dick wie Cheys Arm und bestanden aus einem Metall, das im Lauf der Jahre nicht
korrodiert war.
    »Hören Sie«, fragte Chey, »könnte ich eine Jacke oder eine Decke
bekommen? Ich friere.«
    Er warf ihr einen mottenzerfressenen, ölverschmierten Overall zu,
und sie kämpfte sich hinein. Er war für eine größere Person gedacht, aber sie
war froh, nicht länger nackt zu sein. »Ich weiß das zu schätzen«, sagte sie.
»Können wir kurz reden? Ich würde gern …«
    Er ließ sie nicht ausreden. »Umdrehen und beide Hände hinter den
Mast!«, kam der Befehl.
    Sie gehorchte. Das Metall war eiskalt und unbeweglich, aber sie
spürte, dass der Mast hohl war. Nicht dichter als ein aus dem Boden aufragendes
Rohr, das ein paar Drähte enthielt. Pickersgill trat hinter sie und ließ eine
Handschelle um ihr linkes Handgelenk zuschnappen. Sie fühlte, wie er an der
zweiten Handschelle herumfingerte. Er musste einhändig hantieren, während er
die ganze Zeit eine Pistole auf ihren Hals gerichtet hielt.
    »Das ist kein Silber, aber anständiger Stahl muss ja zu etwas gut
sein«, sagte er. Er ließ die zweite Handschelle einrasten und stellte sich
wieder vor sie. Eine Pistole in der Hand, die andere im Holster.
    »Sie bringen mich nicht um?«, fragte Chey.
    »Nein, noch nicht. Schließlich müssen wir noch immer ihren Alpharüden
erwischen. Offensichtlich ist er schlauer als ein Durchschnittscanide. Das ist
der einzige Grund, warum wir so lange brauchen, ihn einzufangen. Trotzdem ist
er noch immer für die Schwächen seiner Art anfällig. In unserem Geschäft nennt
man das eine Taxis, eine Orientierungsreaktion. Einen Instinkt. Zum Beispiel
lässt er sein Weibchen nicht im Stich.«
    »Ich bin nicht sein Weibchen«, sagte Chey. »Er will mich töten.«
    Pickersgill hob die Schultern. »In diesem Fall ist ein Köder so gut
wie der andere. Wenn er Sie hört, kommt er.«
    Chey runzelte die Stirn. »Sind Sie sicher?«
    »Als wir Sie in diesem Feuerturm eingesperrt hatten und Sie wie eine
läufige Hündin heulten, da konnte seine exotische Hälfte einfach nicht
wegbleiben. Jede Nacht kam er ein Stück näher, und einmal konnten wir sogar
Schüsse auf ihn abgeben. Hätte er damit weitergemacht, hätten wir ihn erwischt.
Das muss ihm klar gewesen sein. Danach hat seine menschliche Hälfte einfach
aufgegeben und ist hergekommen, so weit weg, dass ihn Ihre Rufe nicht in
Versuchung führen konnten.« Er

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