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Frostbite

Frostbite

Titel: Frostbite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Wellington
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schien
es, als zöge man ihr die Haut von den Handgelenken. Sie kam sich vor wie
eine Närrin und spähte zu Pickersgill hinüber.
    Er sah nicht zurück. Der umstürzende Lichtmast hatte ihn genau
zwischen Schulter und Hals getroffen. Vielleicht hatte er ihm das Genick
gebrochen, vielleicht war es auch bloß eine Gehirnerschütterung. Auf jeden Fall
lag er mit weit aufgerissenen Augen auf dem geborstenen Asphalt und starrte ins
Leere.
    Chey trat so lange gegen den
geknickten Mast, bis er endgültig von seinem Fundament abbrach und
polternd auf dem Boden landete. Sie zog die Handschellen nach unten, bis sie
sich davon lösten. Dann verdrehte sie sich und rackerte sich ab, bis sie die
Hände vor dem Körper hielt. Sie rannte zu Pickersgill und griff nach seinem
Hals. Einen Puls fand sie nicht.
    Da klatschte jemand hinter ihr ganz
langsam Applaus. Sie blickte auf und war nicht im Mindesten überrascht,
dass Powell keine zehn Meter entfernt stand.

53   Der
Abend war angebrochen. Die Sterne traten in ihrer ganzen Dichte am Himmel zum
Vorschein und sorgten für genügend Licht, sodass sie einander, wenn auch nicht
viel mehr sehen konnten. Der Mond war noch nicht aufgegangen, also waren sie
noch Menschen.
    Powell trug einen ganz ähnlichen
Overall wie sie. Vermutlich war auch er gezwungen gewesen, nach seiner Ankunft in Port Radium nach Kleidung zu
stöbern. Schließlich fuhr ihm Dzo nicht mehr in seinem verrosteten Truck
hinterher.
    Quer über Stirn und Wange verlief eine hässliche Narbe. Entweder war
er seit der letzten Verwandlung verletzt worden, oder er war einer Silberkugel
zu nahe gekommen. Seine eiskalten grünen Augen
blickten ganz ruhig – Chey konnte nicht ergründen, was er dachte.
Oder was er plante.
    Sie fragte sich, ob er über diese Begegnung genauso gründlich
nachgedacht hatte wie sie.
    »Hi«, sagte sie und ging so unbekümmert wie möglich auf ihn zu.
»Powell. Hör zu. Ich muss dir etwas sagen, etwas, das ich …«
    »Spar dir deine Worte!«, erwiderte er.
    Dann sprang er mit gesenktem Kopf und ausgebreiteten Armen
geradewegs auf sie zu. Er umschlang ihre Taille und riss sie von den Füßen. Sie
rutschte über rissigen Asphalt, ihr Kopf knallte auf einen zerbrochenen Stein.
Blitze zuckten hinter ihren Lidern, sie bekam kaum noch Luft.
    Dann hockte er auf ihr, in beiden Händen ein Stück Geröll, so groß
wie ihr Kopf. Er riss es in die Höhe mit der offensichtlichen Absicht, ihr
damit das Gesicht einzuschlagen. Sie schnellte mit den Knien vorwärts und
katapultierte ihn von sich hinunter. Nachdem sie sich auf alle viere gerollt
hatte, blickte sie in seine Richtung und sah, dass er genau das Gleiche getan
hatte.
    »Nur eine Sekunde!«, rief sie. »Gib mir nur eine Sekunde …«
    »Schluss mit den Lügen!«, erwiderte er.
    Gemeinsam sprangen sie auf die Füße, die Arme vor den Körper gehalten. Sie umkreisten sich wie zwei Sumoringer.
Das amerikanische Militär hatte Chey im Nahkampf unterrichtet. Sie wusste sich
zu wehren. Aber Powell hatte ein Jahrhundert Zeit gehabt, um das Kämpfen zu
lernen. Er warf sich auf sie, und sie wich aus, aber damit hatte er offenbar
gerechnet. Mitten in der Bewegung drehte er sich, erwischte ihre Hüfte, hebelte
sie aus und warf sie zu Boden. Die Luft wurde aus ihr herausgepresst, aber sie
brachte einen Tritt gegen seinen Knöchel zustande und schickte ihn ebenfalls zu
Boden. Beide rollten herum, rangen keuchend nach Luft. Dann sah er auf und
erwiderte ihren Blick.
    Konnte er sie töten? Wollte er es überhaupt?
    »Bitte«, flehte sie, »lass es mich erklären!«
    Eine Sekunde lang starrten sie
einander einfach bloß an. Dann packte er die Kette zwischen den Handschellen,
die noch immer ihre Hände aneinanderfesselten. Sie schrie auf, als er hart
daran riss und sie über die Steine schleifte, aber sie schaffte es nicht, auf
die Füße zu kommen, konnte sich nicht aus seinem Griff befreien.
    Er zerrte sie in den großen Wellblechhangar. Die Dunkelheit hier war
beinahe undurchdringlich. Er zog sie weiter hinein und zerrte sie schließlich
in die Höhe. Zwei Hände packten ihren Körper, und plötzlich flog sie quer über
den Betonboden. Sie landete so hart, dass ihr Speichel aus dem Mund flog.
    »Du willst mich also einfach umbringen? Nicht einmal vorher mit mir reden?«, kreischte sie. In den
Schatten konnte sie ihn nicht einmal sehen.
    »Ich wollte nie jemanden töten«,
erwiderte er. »Das ist einfach irgendwie passiert.« Er umkreiste sie. Chey
dachte an ihre

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