Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frostblüte (German Edition)

Frostblüte (German Edition)

Titel: Frostblüte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoë Marriott
Vom Netzwerk:
Tischplatte lagen Papiere und Bücher verstreut, Federkiele und Tinte. Es gab Stühle und sogar ein richtiges Holzbett, ordentlich gemacht mit einem dunkelblauen Überwurf. Nur ein sehr scharfes Auge konnte die verräterischen Formen der Scharniere entdecken, die es ermöglichten, derart luxuriöse Gegenstände für die Reise zusammenzuklappen. Wenn dies ein Zelt war, dann war es auf jeden Fall eines Prinzen würdig.
    Oder eines Edelmanns, den sein König in die Wildnis geschickt hatte.
    »Das ist Lucas Zelt, oder?«
    Livia nickte und stützte den Arm beiläufig auf die Trennwand. »Er hat dich letzte Nacht hierhergetragen. Du bist auf dem Versammlungsplatz im Sitzen eingeschlafen. Du musst völlig erschöpft gewesen sein.« Sie hielt einen Moment inne. »Er hat sich gefreut, dich zu sehen.«
    »Oh.« Ich sah auf die grau gefleckte Felldecke, die über meine Knie gebreitet war. »Wo ist er?«
    »Er ist mit einem Spähtrupp unterwegs. Er bat mich zu warten, bis du aufwachst, um dir alles zu zeigen und dir zu helfen, dich einzurichten.«
    Etwas – vielleicht Panik – musste sich auf meinem Gesicht abgezeichnet haben, denn sie fügte hinzu: »Er kommt heute Abend zurück.«
    Um gleichgültig auszusehen, zwang ich mich, an glatte graue Flusskiesel zu denken. »Es tut mir leid, wenn ich dir Mühe mache.«
    Sie schob die Trennwand mit einem Lächeln ein Stück zur Seite und deutete auf den unordentlichen Tisch. »Überhaupt nicht. Ich habe die Gelegenheit genutzt, meine Berichte zu ergänzen. Wenn ich das in meinem eigenen Zelt versuche, werde ich alle zwei Minuten unterbrochen. Ich kann noch nicht einmal essen, ohne dass jemand angerannt kommt und etwas von mir will. Und da wir gerade von Essen reden, Luca hat dir etwas zum Frühstück dagelassen. Du bist bestimmt hungrig.«
    Ich rutschte an den Rand des Teppichstapels und wickelte mich aus den Felldecken. »Ich … du hast gesagt, Luca hat mich hierhergetragen. Habe ich mich überhaupt nicht gerührt?«
    »Du hast keinen Ton von dir gegeben«, sagte Livia, räumte eine Ecke des Tischs frei und stellte ein Holztablett darauf.
    Ich war seit meiner Kindheit eine leichte, unruhige Schläferin. Selbst wenn meine Nächte nicht von Träumen über Flucht und Geheul und scharfe weiße Fangzähne heimgesucht wurden, sorgten Gewohnheit und Notwendigkeit dafür. Doch als Luca mich in den Armen gehalten hatte, war ich nicht aufgewacht. Meine Wangen brannten.
    Ich ging schnell zum Tisch, setzte mich auf einen der Stühle und lenkte mich ab, indem ich sämtliche Schalen auf dem Tablett aufdeckte. Da waren eine Tasse Milch, eine Schale mit runden, lockeren Gebäckstücken, irgendein Eiergericht und kleine gefüllte Fladenbrote, die knusprig und golden aussahen und offenbar in Öl ausgebacken worden waren. Als ich eines davon in den Mund steckte, stellte ich fest, dass es scharf gewürzte Wurzeln und Zwiebeln enthielt. Das Gebäck war süß und mit Nüssen und Honig verfeinert. Die Eier schmeckten nach grünen Blättern – ähnlich wie Spinat, aber intensiver – und Erbsen und noch mehr Zwiebeln. Das Essen war sehr scharf und brannte in meinem Mund, war aber köstlich. Ich versuchte langsamer zu essen, doch da ich am Vortag nur eine karge, fade Mahlzeit zu mir genommen hatte, ließ es mein Magen nicht zu. Ich war es gewöhnt, mich vollzustopfen, wenn sich die Gelegenheit bot, es war der Ausgleich für die Zeiten, in denen ich wenig oder gar nichts zu essen bekam. Außerdem brauchte ich nicht zu sprechen, wenn ich den Mund voll hatte.
    Nicht, dass Livia das von mir zu erwarten schien. Sie kritzelte auf ihren Unterlagen herum, tropfte alles mit Tinte voll und nieste jedes Mal, wenn die Feder sie an der Nase kitzelte. Ihre entspannte Haltung und die Konzentration auf ihrem Gesicht hatten etwas Beruhigendes, als wäre es überhaupt nicht seltsam oder peinlich, dass ich hier mit ihr in diesem Zelt saß. Dabei war ich das letzte Mal, als sie mich gesehen hatte, in einer Zelle eingesperrt gewesen. Dann war ich geflüchtet und der Hauptmann der Berggarde hatte höchstpersönlich nach mir gesucht. Und nun hatte ich die Nacht in seinem Zelt verbracht. Was mochte sie wohl denken?
    Während ich die letzten würzigen Krumen mit dem letzten Schluck Milch herunterspülte, legte Livia ihre Feder beiseite und ging zu einer Truhe am Fußende des Bettes. Sie nahm ein großes, zusammengefaltetes Handtuch und ein Stück Seife heraus und hielt mir beides entgegen. Als ich aufstand, bemerkte ich zum ersten

Weitere Kostenlose Bücher