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Frostengel

Frostengel

Titel: Frostengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamina Berger
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Sorge, ich könne Karin Zauners Anruf verpassen. Ich beobachtete Leon, der sich nicht anders verhielt als sonst. Hin und wieder schaute er zu mir rüber. Oder auf den leeren Platz neben mir. Aber das taten auch die anderen aus meinem Jahrgang. Sie gafften und tuschelten, doch die wenigsten trauten sich, mich auf Julia anzusprechen. Ich konnte sie verstehen. Immerhin war Julia nun das zweite Mädchen, das tot aufgefunden wurde. Bei manchen bemerkte ich gerötete Augen. Wenigstens war ich nicht die Einzige, die um sie trauerte. Die Reaktionen der meisten hingegen kränkten mich einerseits. Ein Zeichen, einen Satz, egal was, das gezeigt hätte, dass Julias Tod ihnen nicht gleichgültig war, hätte ich schon erwartet. Andererseits war ich auch froh darüber, dass ich in Ruhe gelassen wurde. Ich hätte ohnehin nicht gewusst, wie ich auf ihr Mitleid reagieren sollte.
    Ein paar Tage später hatte ich ernsthafte Zweifel, ob Frau Zauner Wort halten würde. Wahrscheinlich hatte sie bloß gesagt, dass sie mit Leon reden würde, um mich zu beruhigen. Doch da hatte sie sich geschnitten. Ich wollte mich nicht beruhigen. Meine Freundin war tot. Und irgendetwas stimmte nicht mit der Geschichte.
    Mittwochabend klingelte endlich mein Handy. Karin Zauner. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals.
    »Haben Sie mit Leon gesprochen?«, war meine erste Frage.
    »Ja und ich muss dich enttäuschen, Theresa. Er sagt, er sei an dem besagten Abend schon vor Julia gegangen, dafür gibt es übrigens Zeugen. Danach war er alleine zu Hause und sah fern.«
    »Behauptet er.«
    »Nichts deutet darauf hin, dass er lügt. Im Gegenteil, er wirkte auf mich ehrlich erschüttert. Wusstest du, dass er einen Motorradunfall hatte? Sein Bein ist immer noch nicht ganz in Ordnung. Ehrlich gesagt, glaub ich nicht, dass er den ganzen Weg zu Fuß bis zur Brücke und von dort wieder zurückgegangen ist. Nicht mit seiner Verletzung.«
    »Dann ist er mit dem Auto gefahren«, beharrte ich. Gut, zugegeben, ich hatte Leon noch nie in einem Auto gesehen, ich wusste noch nicht mal, ob er einen Führerschein hatte, aber das hieß nicht, dass er kein Fahrzeug besaß.
    »Theresa, es ist kein Auto auf ihn zugelassen«, sagte Karin. Ich hörte ihrer Stimme an, dass sie die Sache mit Leon abgehakt hatte.
    »Dann hat er sich vielleicht eins ausgeliehen. Von seinen Eltern, von Freunden, was weiß ich.«
    Unwillig wischte ich Tränen von den Wangen. Ich fühlte mich hilflos. Hilflos, wütend und vor allem enttäuscht. Ich hatte auf Karin gezählt! Und was hatte ich nun davon? Sie hatte mich im Stich gelassen. Es war ja nicht so, dass dieses Gefühl neu für mich gewesen wäre – aber weh tat es dennoch.
    Später im Bett wälzte ich mich lange hin und her. Meine Vernunftstimme sagte mir, ich solle es auf sich beruhen lassen. Ich hatte bereits getan, was ich konnte, und nichts, was ich noch unternahm, würde mir Julia wiederbringen.
    Doch dann war da das kleine boshafte Stimmchen, das mich anstachelte und meinte, ich könne nicht aufgeben, weil es ein wenig schwierig wurde. Ich sei es Julia schuldig, die Wahrheit herauszufinden. Auf die Polizei, auf Karin Zauner konnte ich nicht zählen. Also war es an der Zeit, selbst richtig aktiv zu werden. Gleich morgen.
    28. Januar 2012
    Ich könnte kotzen. Samstagsfrühstück im Kreise der Familie. So tun, als ob alles normal wäre, obwohl ich genau weiß, dass nichts normal ist. Ich hasse die aufgesetzte Freundlichkeit, die meine Eltern zur Schau tragen.
    Gestern Abend waren Theresa und ich im Grätzel. Sie meinte, ich müsse mal raus, auf andere Gedanken kommen. Ich kam mir vor wie auf dem Präsentierteller. Alle wollten Details wissen, als ob ich ihnen von einem Gruselschocker erzählen würde, den ich im Kino gesehen habe. Doch es war kein Film, sondern Realität! Leon war auch da. Seit er mir bei der Sache mit Melissa beigestanden ist, grüßt er mich, lächelt und ein paar Worte hat er mit mir am Schulhof auch gewechselt.
    Tessa hat es gut gemeint, aber die erhoffte Ablenkung blieb aus. Ich konnte die ganze Zeit nur daran denken, was ich über Melissa herausgefunden hatte. Tessa hat sich Sorgen gemacht, weil ich mit meinen Gedanken mal wieder den ganzen Abend woanders war. Und dann, aus heiterem Himmel, ohne Vorwarnung, hatte ich das Gefühl, ich bekäme keine Luft mehr. Alles um mich wurde verschwommen und undeutlich, mir wurde schwarz vor Augen
    Das Nächste, woran ich mich erinnere, ist, dass ich draußen auf der Straße stand. Tessa hielt

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