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Frostengel

Frostengel

Titel: Frostengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamina Berger
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in den Arm. Corinna streichelte über mein verschwitztes Haar, strich es aus meinem Gesicht. Ich schloss die Augen und merkte, wie ich wieder schläfrig wurde. In diesem Moment war die Welt vollkommen in Ordnung. Genau so, wie sie sein sollte.
    Als ich wieder wach wurde, fühlte sich mein Kopf immer noch heiß an, aber wenigstens hatte ich das Gefühl, wieder klar denken zu können. Die Tablette hatte geholfen. Wie spät war es eigentlich? Das Fieber würde sicher wieder steigen, aber im Moment ging es mir besser. Das Kissen roch nach Essig und Krankheit. Ich auch. Ich musste das Bett neu beziehen. So, wie es jetzt war, konnte ich unmöglich darin liegen bleiben.
    Ich brauchte zwei Pausen, weil sich alles um mich drehte. Wie ich es hasste, krank zu sein! Ich kam mir so hilflos vor, wie ein kleines Kind.
    Das Badezimmer musste geputzt werden, auf dem Spiegel und dem Waschbecken waren Kalk- und Zahnpastaspritzer. Aber nicht jetzt. Zumindest lag noch ein einziges sauberes Handtuch im Schrank. Das nahm ich heraus und hängte es über die Duschwand. Auch um die Wäsche konnte ich mich in meinem Zustand nicht kümmern. Vielleicht morgen. Ich zog das T-Shirt über den Kopf, stieg in die Duschkabine und drehte das Wasser auf. Schön heiß. Irgendwo hatte ich mal gehört, man solle nicht heiß duschen, wenn man Fieber hat, aber was soll’s, mir tat es gut. Dampf legte sich auf den Spiegel und die Kacheln. Ich seifte mich ein und wusch auch meine Haare. Ob das so eine gute Idee war? Nasse Haare bei Grippe und Fieber? Egal. So gut es ging, rubbelte ich zuerst mein Haar trocken und wickelte das Handtuch dann um meinen Körper. Bei unserem alten Fön würde es wie immer ewig dauern, bis meine langen Haare trocken waren, aber was blieb mir anderes übrig?
    Ich fönte noch, als die Wohnungstür zugeschlagen und Schuhe an die Wand gepfeffert wurden. Mein erster Gedanke galt Corinna. Sie hatte sich doch nicht, während ich schlief, aus der Wohnung geschlichen? Sie hatte mir hoch und heilig versprochen, um neun wieder zu Hause zu sein. Als ich etwas poltern hörte, wusste ich, dass es nicht meine Schwester war. Sie würde sich bemühen, leise zu sein. Also war Mutter heimgekommen.
    Ich lauschte auf Stimmen oder Gekicher, aber außer einzelnen unsicheren Schritten hörte ich nichts. Wenigstens war sie allein, wenigstens das. Innerlich wappnete ich mich für das, was kommen würde. Gleichzeitig wusste ich, dass meine Erwartungen meist noch übertroffen wurden. Oder besser: unter troffen.
    Mutter wankte ins Badezimmer, schob sich an mir vorbei und setzte sich auf die Klomuschel. Sie sah beschissen aus. Verbraucht, betrunken. Eher wie fünfzig und nicht wie Mitte dreißig.
    An guten Tagen versuchte ich, Verständnis für sie aufzubringen. Mutter hatte es nicht leicht im Leben. Schwanger mit sechzehn, mit siebzehn das erste Kind – mich. Von meinem Vater bekam sie keine Unterstützung, ich kannte ihn nicht einmal. Ehrlich gesagt, wollte ich ihn auch nicht kennenlernen. Was musste das für ein Blödmann sein, wenn er seine schwangere Freundin im Stich ließ!
    Trotzdem hatte Mutter es eine lange Zeit geschafft. Geld hatten wir nie viel, aber das hatte mich nie gestört. Damals hatten wir noch viel Zeit miteinander verbracht, waren gemeinsam in den Park und auf den Spielplatz gegangen, hatten Waffeln und Gugelhupf zusammen gebacken.
    Jetzt fragte sie nicht einmal, wie es mir ging, dabei hatten wir einander seit fast zwei Tagen nicht gesehen.
    Ich stellte den Fön aus. »Wir haben nichts zu essen da.« Ich hoffte, zu ihr durchzudringen, und wusste gleichzeitig, wie sinnlos mein Unterfangen war. In diesem Zustand war Mutter alles egal.
    Und tatsächlich zog sie nur den Slip hoch, vergaß zu spülen und verließ wortlos und schwankend das Badezimmer.
    Mir war übel, als ich den Taster für die Spülung drückte. Wütend wischte ich Tränen von meiner Wange. Ich hasste mich dafür, immer noch enttäuscht zu sein, immer noch zu hoffen. Sie hatte nicht einmal geantwortet.
    Mit offenen Augen lag ich später im Bett. Das Fieber stieg wieder. Meine Zähne klapperten, ich fühlte mich elend. Mir war zum Heulen und ich fragte mich, ob es daran lag, dass ich krank war, oder daran, dass ich meine Mutter verabscheute. Vielleicht stimmte es ja doch, was ich gehört hatte, und duschen war keine gute Idee gewesen.
    Ich drehte mich zur Seite und vergrub das Gesicht in das neu bezogene Kissen. Es roch nach Weichspüler. Sommerwiese und Frische. Der

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