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Frostengel

Frostengel

Titel: Frostengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamina Berger
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das Richtige tun.

Kapitel 11
    In der Mittagspause stand ich abseits und betrachtete das Treiben um mich herum. Es war kalt, aber nicht so sehr wie in den letzten Tagen. Während ich in meinen Apfel biss, beobachtete ich die Schüler aus der Unterstufe und dachte mir, wie wenig wir uns im Grunde in den paar Jahren verändert hatten. Mein Blick wanderte zu den Mitschülern meiner Stufe. Auch jetzt, nach über vier Jahren, standen die Mädchen meines Jahrgangs immer noch in Grüppchen herum und kicherten. Die Jungs taten alles, um deren Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, genauso, wie es die Unterstufenschüler machten.
    Aus dem Augenwinkel sah ich rechts von mir etwas aufblitzen, als hätte jemand ein Foto gemacht. Doch keiner der Schüler hielt einen Fotoapparat in der Hand. Niemand sah aus, als würde er für ein Foto posieren. Wahrscheinlich nur die Nerven! Doch unwillkürlich dachte ich wieder an den Mann bei der Bushaltestelle.
    Jemand trat von hinten auf mich zu und ich zuckte zusammen. Es war Leon. Er sprach kein Wort, stand nur neben mir. Weil er keine Anstalten machte, irgendwas von sich zu geben, sagte ich: »Julia wird am Montag beerdigt. Wir sollen um zehn am Friedhof sein.«
    Er nickte. »Okay.«
    Ich biss mir auf die Lippen. Jetzt frag ihn doch, schrie es in mir. Ich stieß meinen Atem aus. Die Gelegenheit, auf die ich schon seit dem Morgen gewartet hatte, war da – und ich stellte mich an wie der letzte Mensch.
    »Wirst du mit dem Auto fahren?« Na bitte, ich hatte es herausgebracht, ohne Stottern, ohne Zögern.
    Leon zog die Brauen hoch. »Ich? Mit dem Auto? Wie kommst du drauf?«
    Mist. Ich hatte wieder nicht weitergedacht, mir nicht zurechtgelegt, was ich auf solch eine Frage antworten sollte, und jetzt musste ich improvisieren, was mir gar nicht lag und in einem Desaster enden würde, wie ich mich kannte. Aber zurück konnte ich auch nicht mehr.
    »Na ja. Ich bilde mir ein, dich schon mal in einem Auto gesehen zu haben.«
    »Das war tatsächlich Einbildung. Ich habe keinen Wagen.«
    »Nicht? Auch keinen Führerschein? Ich mein, alle Jungs …«
    Leons Blick ging mir unter die Haut. »Ich bin halt nicht wie alle. Ich dachte, das hättest du mittlerweile kapiert.« Dann drehte er sich um und ging. War er beleidigt, weil ich ihm eine harmlose Frage gestellt oder weil er was zu verbergen hatte? Und eine Antwort hatte ich auch nicht bekommen. Theresa, du bist ein Hornochse, sagte ich mir. Gleichzeitig kroch Wut auf die Polizeibeamtin in mir hoch. Für Karin Zauner wäre es ein Leichtes gewesen herauszufinden, ob Leon einen Führerschein besaß oder nicht. Wahrscheinlich hatte sie das sogar überprüft und mir nichts davon gesagt. Ich würde sie noch einmal anrufen und sie fragen müssen. Mehr als auch von ihr eine Abfuhr oder eine nichtssagende Antwort zu erhalten, konnte mir nicht passieren – und langsam gewöhnte ich mich daran. Es gab Schlimmeres.
    Es gab tatsächlich Schlimmeres, wie ich herausfand, als ich um halb sechs von der Schule heimkam. Ich hätte schon ahnen müssen, dass etwas ganz und gar nicht stimmte, als ich die Wohnungstür aufschloss und meine Mutter in der Küche summen hörte. »Dancing Queen« von ABBA. Was war denn jetzt los?
    »Theresa?«
    »Ja, ich bin’s«, rief ich zurück. Wer sollte es sonst sein? Corinna hatte zwei Stunden vor mir ausgehabt und sollte bereits zu Hause sein.
    Ich schlüpfte aus meinen Schuhen, hängte die Jacke auf und bemerkte, dass alles ordentlich verstaut und zusammengeräumt war. Hatte das Mama getan? Und wenn ja, was war plötzlich in sie gefahren? Schon in der Früh Waschen, jetzt Kochen und auch noch Aufräumen? Das passte nicht zu ihr. Nicht zu der Mutter, die sie in den letzten Jahren gewesen war. Nein, ich war unfair. Natürlich gab es immer wieder gute Zeiten, in denen sie sich um das meiste kümmerte. In denen sie versuchte, alles, was sie verbockt hatte, wiedergutzumachen. Dies war anscheinend eine solche Phase. Wie lange würde sie anhalten? Lange genug, um Corinna falsche Hoffnungen zu machen, sie glauben zu lassen, es hätte sich etwas geändert, und sie dann wieder zu enttäuschen? Da hatte ich es leichter. Ich hoffte nicht mehr.
    Im Zimmer legte ich den Rucksack ab und gesellte mich zu meiner Mutter in die Küche. Ich musste zugeben, was auch immer sie kochte, es roch echt gut und mein Magen erinnerte mich knurrend daran, dass ich mittags nur einen Apfel gegessen hatte.
    »Hast du Hunger? Es dauert noch ein wenig, aber du kannst ja den

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