Frostengel
noch vor der Stunde mit Sandra und Jennifer wegen der Abizeitung sprechen.«
Doch viel Zeit hatte ich nicht, weil Jennifer verschlafen hatte und erst mit dem Läuten in die Klasse gehuscht kam. So wie sie aussah, hatte die Zeit nicht mal fürs Haarebürsten gereicht, allerdings konnte man das bei ihr nie so genau sagen. Ihre Frisur sah sonst auch ziemlich verwuschelt aus. Sandra hingegen war erleichtert, als ich ihr sagte, ich würde bei der Zeitung mitarbeiten. »Ehrlich, ich hätte sonst nicht gewusst, wie wir das schaffen sollen, rechtzeitig fertig zu werden. Danke!« Sie erklärte mir was sie, Jennifer und Julia abgesprochen hatten, welche Aufgaben wer übernehmen wollte und wie sie sich vorgestellt hatten, dass die Zeitung aufgebaut werden sollte.
»Ich dachte, du übernimmst einfach Julias Arbeit – also die Schülerfragebögen und Lehrerinterviews. Aber natürlich kannst du auch Ideen einbringen. Du bist nicht nur Lückenfüller. Wer mitarbeitet, darf auch mitentscheiden.«
»Schon gut«, winkte ich ab. »Ich finde euer Konzept super. Es wird ohnehin Zeit brauchen, bis ich mit allen Lehrern durch bin. Den Fragebogen für uns übernehme ich einfach so, wie Julia ihn vorbereitet hat. Ich lass ihn kopieren und verteile ihn morgen, spätestens übermorgen.«
»Super! Ich glaube, das wird großartig! Etwas, was man sich aufhebt und nicht gleich in den nächsten Papierkorb wirft.«
Das wollte ich allerdings hoffen! Bei der Arbeit, die wir uns mit dieser Zeitung antaten! »Sag mal, gibt es nicht ein paar ältere Ausgaben der vergangenen Jahre? So zur Inspiration?«
»Hm, ich frag in der Schulbücherei, die haben bestimmt noch welche«, meinte Sandra. Dann läutete es und jede von uns ging an ihren Platz.
Die Mittagspause verbrachte ich mit Leon. Wir teilten mein Wurstbrot und gingen Händchen haltend zurück zum Nachmittagsunterricht. Einige Mädchen der unteren Jahrgänge warfen mir neidische Blicke zu. Corinna hatte recht gehabt. Leon war offenbar der Schwarm vieler jüngerer Mädchen. Jan und seine Freunde konnten es nicht lassen und pfiffen und grölten uns hinterher.
»Da sorgen wir ja für Furore«, meinte Leon.
»Stell dir vor, wie sie reagieren würden, wenn wir auch noch vor allen rumknutschen würden«, lachte ich. Im Moment war ich einfach so glücklich, dass mich selbst die blöden Blicke nicht erschüttern konnten.
»Willst du es ausprobieren?«, fragte Leon mit einem verschmitzten Grinsen.
»Nein, lieber nicht. Gewöhnen wir die anderen lieber schrittweise an unseren Anblick.«
Fünfzehn Minuten vor dem Läuten gingen wir in die Schule zurück, weil es uns draußen zu kalt geworden war. Da wir in verschiedenen Kursen waren, mussten wir uns trennen.
»Sehen wir uns später?« Mir gefiel der hoffnungsvolle Klang in seiner Stimme. Trotzdem sagte ich: »Weiß nicht. Ich muss länger bleiben, um die Fragebögen fertig zu machen. Kopieren muss ich sie auch noch. Vor halb sechs komme ich heute wohl nicht raus.«
Leon hatte schon um vier Schluss. »Das macht nichts. Ich hol dich ab und bring dich nach Hause.« Sein Ton duldete keinen Widerspruch. Abgesehen davon, dass ich mich freute, weil er so viel Zeit mit mir verbringen wollte, war mir wohler, wenn ich nicht allein gehen musste. Wer konnte schon sagen, wann Klaus oder wer auch immer mir wieder nachstellte? Ich konnte es immer noch kaum fassen, was der Exlover meiner Mutter bereit war, für ein paar Fotos zu tun. Er war echt das Letzte!
Auf dem Weg zum Werkraum traf ich Steinmenger. Vielleicht konnte er ein paar Minuten für das Interview erübrigen. Er war überrascht, als ich ihn um ein Gespräch bat. »Es geht auch ganz schnell!«, bettelte ich.
Ich kramte meinen Notizblock hervor und nahm einen Kugelschreiber zur Hand. »Keine Sorge. Sie sind bloß der erste, die anderen Lehrer müssen mir auch noch Rede und Antwort stehen. Es ist für die Abizeitung«, erklärte ich ihm.
Ich beschloss, ein wenig zu improvisieren, wieder einmal. Ich wünschte, ich hätte mich besser vorbereitet, aber nun musste es so gehen. Ich fragte ihn nach seinen Hobbys, was ihn dazu bewogen hatte, Lehrer zu werden, und was das Geheimnis seines Erfolges war. Er beantwortete mir alles geduldig. »Sie sind der absolute Mädchenschwarm in der Schule. Ist Ihnen das bewusst? Wie gehen Sie mit so viel Interesse des weiblichen Geschlechts um?«
Steinmenger fuhr sich durchs Haar. »Also, ehrlich gesagt, ist mir das unangenehm. Immerhin bin ich verheiratet. Meine Frau meint
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