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Frostengel

Frostengel

Titel: Frostengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamina Berger
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allerdings, die Schülerinnen würden sich wahrscheinlich mehr anstrengen, um einen guten Eindruck bei mir zu hinterlassen.« Er lächelte.
    »Stimmt das denn? Lernen sie wirklich mehr?«
    »Manche schon. Ich habe den Eindruck, dass Biologie sowieso höher im Kurs steht als andere Fächer.« Ich musste an Corinna denken, die zwar über die Hausaufgaben gemault hatte, sie aber trotzdem immer gewissenhaft erledigte. »Vielleicht liegt das einfach an Ihrer Art, Ihren Schülern den Stoff näherzubringen. Es sind ja viele, die bei Ihnen ihre Prüfungen machen. Melissa Schikol zum Beispiel, letztes Jahr. Und dieses Jahr sind es allein in meinem Jahrgang acht Leute.«
    Steinmenger sah auf seine Uhr. »Ich muss jetzt zum Unterricht. Falls du noch was wissen willst, komm einfach in einer der großen Pausen zu mir. Ansonsten müssen wir bald einen Termin ausmachen, um über deine Prüfung bei mir zu sprechen.« Er hob die Augenbrauen und grinste.
    Irritiert blieb ich zurück. Warum hatte er es denn plötzlich so eilig? Bis zum Klingeln dauerte es noch fünf Minuten. Wie es aussah, war ich wohl nicht besonders gut im Improvisieren. Ich hätte die Fragen, die Julia vorbereitet hatte, lieber auswendig lernen sollen. Na ja, ganz dumm war es nun auch nicht gelaufen, tröstete ich mich. Schließlich würde die meisten Mädchen alles interessieren, was Steinmenger zu sagen hatte.
    Von drei bis fünf stand Werken auf dem Stundenplan und ich war mit Sägen und Leimen beschäftigt. Mein hüttenartiges Gebilde hatte nicht einmal entfernt Ähnlichkeit mit einem Schlüsselschränkchen. Aber ich konnte nicht überall begabt sein, sagte ich mir. Das Ding würde ich mit Sicherheit nirgends aufhängen. Es taugte höchstens als Hamsterunterschlupf, bloß blöd, dass ich gar keinen Hamster besaß. Ich ärgerte mich, weil der Leim nicht halten wollte, und Herr Senner half mir mit den Schraubzwingen.
    »Du weißt aber schon, dass du den Leim zum Kleben und nicht zum Baden verwenden sollst«, meinte er schmunzelnd. Ich blickte an mir herab. Verdammt, nicht nur meine Hände waren voll Kleber, auch mein Pullover sah aus, als hätte ich mich in Kleister und Sägespänen gewälzt.
    »Geht das beim Waschen wieder raus?«, fragte ich.
    »Solange er noch nicht eingetrocknet ist, ja. Geh dich waschen, ich mach das für dich fertig. Für heute ist eh Schluss.«
    Jennifer lieh mir ihre Weste. Zum Glück musste ich nicht den restlichen Tag im T-Shirt verbringen. Auf dem Klo zog ich meinen Pullover aus und Jennifers Weste an. Der Leim klebte wirklich überall, sogar meine Haare hatten etwas abbekommen. Ich würde den Kleber nachher ausbürsten oder die Strähne notfalls rausschneiden müssen.
    In meinem Rucksack fand ich eine Plastiktüte. Da steckte ich den nassen Pullover rein. Super! Durch die Waschaktion hatte ich eine Menge Zeit verloren. Ich musste doch noch die Fragebögen kopieren, damit wir sie morgen verteilen konnten.
    Obwohl es nicht das erste Mal vorkam, dass ich länger in der Schule blieb, war die Stille unheimlich. Wo sonst Scharen von Schülern umherliefen und ihr Krakeelen die Gänge erfüllte, war es nun menschenleer und totenstill. Ich überlegte, was wohl passieren würde, wenn mich der Schulwart versehentlich einsperrte – und ob so was schon einmal passiert war. Aber dann fiel mir ein, dass es fast jeden Tag irgendwelche Veranstaltungen und Kurse gab, die hier in der Schule stattfanden. Schon allein deswegen wurde die Eingangstür der Schule erst abends abgeschlossen. Dennoch blieb das mulmige Gefühl und ich beeilte mich, in den zweiten Stock zum Kopiergerät zu kommen.
    Ich legte den Fragebogen in das Fach und steckte meine Kopierkarte in den Schlitz. Ich gab bei Anzahl der Kopien automatisch 28 ein, doch dann korrigierte ich auf 27. Julia würde keine mehr brauchen. Ich schluckte, aber der aufkeimende Kloß in meinem Hals verschwand nicht. Ich hoffte, dass ich mich nie einfach so an den Gedanken gewöhnen würde, dass Julia nicht mehr da war.
    Während ich darauf wartete, dass das Gerät ein Blatt nach dem anderen ausspuckte, überkam mich ein jähes Frösteln und die Härchen in meinem Nacken stellten sich auf. Ich blickte mich um. Das Gefühl, beobachtet zu werden, nahm überhand, doch ich konnte niemand entdecken. Keine Menschenseele. Komm mal wieder runter, Theresa, sprach ich mir zu. Die Tatsache, dass Klaus mich verfolgt hatte, nahm mich stärker mit, als ich wahrhaben wollte. Aber nachdem ich ihn auf dem Friedhof entdeckt und

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