Frostfluch: Mythos Academy 2 (German Edition)
dass ich hier sein würde?«, fragte ich. »Du bist ein ziemliches Risiko eingegangen, als du dein Versteck wo auch immer verlassen hast, um herzukommen.«
Er zuckte mit den Schultern. »Jeder kommt zum Winterkarneval. Es ist eine Tradition der Mythos Academy.«
Fast hätte ich über die Ironie gelacht. Daphne hatte genau das Anfang der Woche zu mir gesagt, aber ich hatte ihr nicht so recht geglaubt – oder gewusst, dass diese Tradition vielleicht meinen Tod bedeuten würde. Währenddessen drückte Oliver auf dem Boden ein paar weitere Knöpfe an seinem Handy.
Verzweifelt versuchte ich, ihm mehr Zeit zu verschaffen, und sah wieder Preston an. »Aber was ist mit …«
»Es reicht!«, blaffte er. »Halt den Mund. Dein Rumgeheule treibt mich in den Wahnsinn. Schluck es, Gypsy. Der Spartaner stirbt, und du bist hier unten allein mit mir und dem Wolf. Du kommst aus dieser Situation nicht lebend raus.«
Preston starrte mich an, und in seinen blauen Augen glitzerte Hass. Sein gut aussehendes Gesicht hatte er zu einer dunklen, hässlichen und bösen Miene verzogen. Dann hob er die Armbrust, bis sie auf einer Höhe mit meinem Kopf war, und drückte ab.
Dann passierte alles gleichzeitig.
Ich warf mich nach rechts, Preston drückte den Abzug der Armbrust, und der Fenriswolf stieß gegen ihn, sodass der Schnitter stolperte. Ich weiß nicht, ob der Wolf es absichtlich getan hatte, ob er mir helfen wollte, aber auf jeden Fall sorgte er dafür, dass der Schuss ins Leere ging, über meinen Kopf hinwegsauste und im Halbdunkel verschwand.
Ich kämpfte mich auf die Füße. Für einen Moment dachte ich darüber nach, wegzulaufen, um so schnell wie möglich Abstand zu Preston zu gewinnen. Aber dann fiel mein Blick dorthin, wo Oliver mit seinem Handy in der Hand auf dem Boden lag, während sich immer mehr Blut unter ihm sammelte. Ja, der Spartaner hatte mir Angst eingejagt, aber ich konnte ihn nicht einfach hilflos und wehrlos mit einem mit Widerhaken besetzten Bolzen in der Schulter zurücklassen.
Also tat ich das Einzige, was mir sonst einfiel: Ich zog Vic aus seiner Lederscheide an meiner Hüfte.
»Na, das wurde ja auch Zeit«, murmelte Vic und starrte mich mit seinem purpurnen Auge böse an. »Ich hatte mich schon gefragt, ob du mich vergessen hast, Gwen.«
Na ja, in gewisser Weise hatte ich das, aber das würde ich jetzt nicht zugeben.
»Was sollte ich denn tun? Dich direkt vor Preston ziehen?«, zischte ich. »Ich hatte die Hände oben, nur für den Fall, dass es dir nicht aufgefallen ist. Und hallo, er hat mit einer Armbrust auf meinen Kopf gezielt. In diesem Fall schlägt Armbrustbolzen Schwert.«
Vic schnaubte nur.
»Oh, schau mal, die Gypsy hat ein Schwert.« Preston klang amüsiert. »Schön, dass ich auch eins habe.«
Mir sank das Herz in der Brust, als ich das charakteristische Flüstern von Metall hörte, das aus einer Scheide gleitet. Ich wirbelte herum und riss Vic hoch. Preston war wieder auf den Beinen und hielt sein eigenes Schwert in der Hand. Er musste die Waffe unter seinem langen, schwarzen Mantel getragen haben. Die Schneide glitzerte in einem einzelnen Sonnenstrahl. Vielleicht war es ja nur meine Einbildung, aber ich hatte den Eindruck, als würde mir das Metall zuzwinkern und sich rötlich verfärben. Mir lief ein kalter Schauder über den Rücken, und ich packte Vic fester.
Preston kam näher und näher. Er suchte sich seinen Weg durch den Dreck der Baustelle und schwang dabei beiläufig sein Schwert von rechts nach links. »Weißt du, ich bin sogar ein bisschen froh, dass dieser Bolzen dich verfehlt hat«, zischte er. »Es macht sicher viel mehr Spaß, dich in Stücke zu hacken.«
Was ich wirklich, wirklich tun wollte, war schreien, Vic fallen lassen, mich umdrehen und wegrennen. Aber ich konnte Oliver nicht der Gnade des Schnitters überlassen. Außerdem würde Preston mich dann einfach hinterrücks erstechen. Ich konnte mich ihm nur stellen und kämpfen – oder es zumindest versuchen.
Ich spähte kurz an Preston vorbei und fragte mich, was der Fenriswolf gerade tat. Die Kreatur saß auf den Hinterbeinen, als wäre sie eine uralte Statue, ein wenig wie die Greife vor der Bibliothek der Altertümer. Sein roter Blick traf meinen. In seinen Augen flackerte etwas, das aussah wie Trauer, und er wimmerte leise. Ich mochte dem Wolf nach der Lawine geholfen haben, aber ich wusste, dass ich nun nicht auf ihn zählen konnte. Nicht noch mal, nicht hier, nicht gegen seinen Meister. Prestons
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