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Frostglut

Frostglut

Titel: Frostglut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Estep
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böse an, aber er stiefelte bereits zu einem Podium mit Mikrofon, das in der Mitte der Bühne stand. Dort blieb er stehen und wartete, bis die Menge sich beruhigt hatte. Erst dann lehnte er sich vor und sprach ins Mikro.
    »Hallo«, sagte er. Seine Stimme rollte wie Donner von den untersten Reihen des Amphitheaters nach oben. »Mein Name ist Linus Quinn. Einige von euch kennen mich vielleicht als den Leiter des Protektorats, der Organisation, die damit beauftragt ist, Schnitter des Chaos zur Strecke zu bringen. Außerdem sitze ich im Vorstand der Akademie.«
    Also gehörte Linus zu den Mächtigen von Mythos. Ich wusste, dass es Leute gab, die über die Akademie wachten – irgendeine Gruppierung, die für die Verwaltung der Schule verantwortlich war, irgendeinen Vorstand, der die Regeln aufstellte und sogar die schicken Menüpläne für den Speisesaal entwarf. Ich nannte diese Leute immer scherzhaft die Mächtigen von Mythos. Jetzt hatte ich das Gefühl, dass ich bald herausfinden würde, wie passend der Spitzname wirklich war.
    »Ich weiß, dass euch alle eine Menge Fragen und Sorgen umtreiben, seit Loki vor ein paar Wochen aus seinem Gefängnis entkommen ist«, fuhr Linus fort. »Seid versichert, dass das Protektorat den Vorfall untersucht hat und alles unternimmt, um Loki und seine Schnitter zu finden, bevor noch jemand verletzt wird – wie eure Mitschüler, die vor Kurzem im Kreios-Kolosseum getötet wurden.«
    Bei seinen Worten stiegen Bilder in mir auf. Schnitter stürmten mit blitzenden Schwertern ins Kolosseum, während ihre Roben um sie wehten wie ein Todeshauch. Jugendliche kämpften, rannten durcheinander und versuchten den Angreifern zu entkommen. Sie schrien, als die Schnitter die Waffen in ihre Körper rammten. Ein Schnitter stieß sein Schwert in Carsons Brust. Blut, so viel Blut überall, wie scharlachrote Tränen, die auf alles herunterregneten …
    Linus räusperte sich und riss mich damit aus meinen schrecklichen Erinnerungen. »In Bezug auf die Geschehnisse in der Nacht, als Loki befreit wurde, sind schwerwiegende Vorwürfe erhoben worden«, erklärte er. »Deswegen bin ich mit den anderen Mitgliedern des Protektorats hier. Wir sind gekommen, um diesen Anschuldigungen auf den Grund zu gehen, zweifelsfrei herauszufinden, was geschehen ist, und die Beteiligten angemessen zu bestrafen.«
    Irgendwie wusste ich, was er als Nächstes sagen würde.
    »Es scheint, dass eine Schülerin der Mythos Academy Loki dabei geholfen hat, aus Helheim zu entkommen, dem Gefängnisgefilde, in das die Götter ihn vor Jahrhunderten eingeschlossen haben.« Linus hielt inne, dann lehnte er sich noch näher ans Mikrofon. »Diese Schülerin ist Gwendolyn Frost – das Mädchen, das nun auf der Bühne vor euch steht.«
    Ja, das war so ziemlich, was ich erwartet hatte – und auch die Reaktionen meiner Mitschüler hatte ich mir so ausgemalt.
    Es schien, als würden alle Anwesenden gleichzeitig nach Luft schnappen, dann explodierte das überraschte Flüstern in wütendes Gebrüll. Sekunden später war jeder Einzelne im Amphitheater aufgesprungen und schrie nach meinem Blut. Eine Welle von Zorn und Hass erhob sich aus der Menge und traf mich wie ein glühendes Schwert. Jeder wütende Ruf, jeder zornerfüllte Schrei, jede bösartige Beschimpfung rammte die unsichtbare Klinge tiefer in meine Seele, bis ich mich vor Schmerz übergeben wollte.
    So gut wie jeder auf Mythos hatte schon jemanden an die Schnitter verloren – eine Mutter, eine Schwester, einen engen Freund –, also verstand ich die Reaktion. Ich wollte einfach nur die Augen schließen, den Kopf senken und wimmern, als ich all diesen Hass gegen mich gerichtet fühlte. Doch ich zwang mich dazu, hoch aufgerichtet stehen zu bleiben und die Leute anzustarren, die mich lautstark verfluchten.
    »Ruhe! Ruhe!«, brüllte Linus ins Mikrofon.
    Es dauerte mehrere Minuten, bis die Menge sich halbwegs beruhigte und die versammelten Schüler sich wieder setzten. Doch sie alle starrten mich an, während Wut in ihren Blicken brannte. Die Gefühle trafen mich wieder und wieder, bis ich die Zähne zusammenbeißen musste, um nicht zu schreien.
    »Im Moment haben wir mehr Fragen als Antworten«, erklärte Linus. »Deswegen haben wir Miss Frost verhaftet und werden ein Gerichtsverfahren einleiten, um ihre Handlungen vollständig zu durchleuchten. In der Zwischenzeit werden wir die Suche nach Loki und seinen Schnittern fortführen, um uns angemessen um sie zu kümmern. Seid versichert,

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