Frostglut
Murmeln, Flüstern, Klingeln und Piepen erfüllte die Luft und erzeugte eine seltsame Klangmischung.
Ich entdeckte Daphne Cruz, meine beste Freundin, und Carson Callahan, ihren Musikfreak-Freund. Sie saßen ungefähr auf halber Höhe auf den Stufen. Sie hatten die Köpfe zusammengesteckt und blickten auf Daphnes Handy – wahrscheinlich auf ein Bild von meiner Verhaftung im Café, wenn ich die entsetzte Miene der Walküre und die pinken Funken, die wie Blitze aus ihren Fingerspitzen schossen, richtig deutete. Wann immer Daphne überrascht, besorgt oder aufgeregt war, gab sie mehr Magie ab. Ich hätte gewettet, dass im Moment alle drei Gefühle in ihr tobten – genau wie in mir.
Ich hatte geglaubt, wir würden am Rand des Amphitheaters stehen bleiben, bis die Versammlung vorbei war, doch stattdessen nickte Linus Sergei und Inari zu, die daraufhin noch näher an mich herantraten. Angst sorgte dafür, dass mein Magen sich verkrampfte und mir die Kehle eng wurde, bis ich glaubte, ersticken zu müssen.
Logan bemerkte die Bewegungen der Männer und unterbrach die Diskussion mit seinem Dad gerade lang genug, um sich umzudrehen. Alexei trat vor den Spartaner und hob besänftigend die Hände.
»Ich will nicht gegen dich kämpfen, Logan«, sagte Alexei. »Aber du weißt, dass ich es tun werde, sollte es nötig werden.«
Logan sah mich an, und für einen Moment flackerte Panik in seinem Blick. Anscheinend wusste er, was passieren würde – und dass es nichts Gutes war.
»Dad«, sagte er. »Gwen hat nichts falsch gemacht. Du musst mir glauben. Tu das nicht. Bitte.«
Linus starrte seinen Sohn ausdruckslos an. Dann wandte er sich ab.
»Stellt sicher, dass sie sich ruhig verhält«, befahl Linus. »Ich wünsche keine Unterbrechungen.«
Inari und Sergei packten meine Arme und zogen mich vorwärts in Richtung der Treppe, die zur Bühne führte. Und plötzlich verstand ich, worum es bei dieser mysteriösen Versammlung ging – um mich und meine angeblichen Verbrechen gegen das Pantheon.
Inari und Sergei führten mich quer durch das Amphitheater, die Stufen nach oben und auf die Bühne. Linus folgte uns. Die schweren Stiefel der Männer brachten die Holzplanken zum Zittern, und das dumpfe Geräusch schien mir zuzurufen: Verhängnis, Verhängnis, Verhängnis …
Wir hielten in der Mitte der Bühne an, und ich starrte alle an, aus denen die Mythos Academy bestand – Schüler, Professoren, Angestellte. Ich sah zu Daphne hinüber, die entsetzt die Hände vor den Mund geschlagen hatte. Carson wirkte ähnlich bestürzt. Oliver Hector, Morgan McDougall, Savannah Warren. Mein Blick huschte von einem vertrauten Gesicht zum nächsten. Alle Schüler meines zweiten Jahrgangs waren hier, zusammen mit denen, die offensichtlich aus dem Café zur Versammlung geeilt waren. Kenzie Tanaka, Talia Pizarro, Helena Paxton und ihre bösartigen Freundinnen. Sie mussten zur Bibliothek gerannt sein, um dann den Hügel nach unten zu eilen und sich die letzten Sitze ganz oben im Amphitheater zu sichern.
»Diese Kerle tragen die Roben des Protektorats!«
»Hey, ist das nicht Gwen Frost? Dieses seltsame Gypsymädchen?«
»Was tut sie da auf der Bühne? Was ist hier los? Warum wird sie bewacht?«
So liefen die neuen Fragen murmelnd durch die Menge, lauter und schärfer als zuvor. Ich blendete das Raunen aus und betrachtete weiterhin die Gesichter. Endlich entdeckte ich Professor Aurora Metis am linken Rand der Bühne, zusammen mit Nickamedes, Trainer Ajax und Raven. Diese vier bildeten den Sicherheitsrat der Akademie und waren für das Wohlergehen der Mythos-Schüler verantwortlich. Ich hatte gedacht, dass auch ich in diese Kategorie fiel, aber im Moment sah es nicht so aus – zumindest nicht mehr.
Ich starrte Metis an und fragte mich, ob sie gewusst hatte, dass etwas Derartiges passieren würde; ob sie versucht hatte, es aufzuhalten. In ihren grünen Augen hinter der silbernen Brille stand Sorge. Die Miene der Professorin war angespannt, und die Sehnen an ihrem Hals hoben sich unter ihrer bronzefarbenen Haut ab wie Bogensehnen, die jeden Moment reißen konnten. Nickamedes runzelte die Stirn und hatte nachdenklich die dunklen Augenbrauen zusammengezogen. Ajax hatte die Arme über der breiten Brust verschränkt. Nur Raven wirkte unbekümmert. Sie gähnte und spielte mit ihren weißen Haaren, als würde das gesamte Spektakel sie langweilen.
»Bleib ruhig, und das Ganze wird um einiges einfacher für dich«, murmelte Linus mir zu.
Ich starrte ihn
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