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Frostglut

Frostglut

Titel: Frostglut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Estep
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starrten mich böse an.
    Beim Mittagessen rannte ich nur kurz in den Speisesaal, schnappte mir eine Limo und einen Käse-Schinken-Toast und rannte zurück in mein Zimmer, bevor sich noch mal jemand auf mich stürzen konnte. Alexei blieb die ganze Zeit hinter mir und hielt mühelos Schritt. Wieder holte er sich nichts zu essen. Langsam fragte ich mich, ob er nur von Luft, Schweigen und Blicken lebte.
    Ich stieg die Treppen zu meinem Zimmer hoch und griff gerade nach meinem Schlüssel, als ich bemerkte, dass schon wieder jemand die Tür und die Wand daneben verschmiert hatte. Grandma Frost hatte gestern den Großteil der Graffitis abgewaschen, aber jemand war vorbeigekommen und hatte die schnitterroten Worte neu geschrieben.
    MÖRDERIN. SCHLÄCHTERIN. SCHNITTERMISTSTÜCK.
    Mein Magen verkrampfte sich, und mir stiegen Tränen in die Augen, aber ich hielt sie mit einem Blinzeln zurück, wie ich es schon den ganzen Vormittag über tat. Alexei stand neben mir und starrte die Tür an. Seine Miene war so ausdruckslos wie immer.
    »Hier«, murmelte ich und drückte ihm die Tüte mit dem Toast in die Hand. »Warum isst du ihn nicht? Ich will ihn nicht mehr.«
    Damit ging ich in mein Zimmer und schloss die Tür hinter mir, sodass Alexei allein im Flur zurückblieb. Dann stand ich einfach nur in der Mitte des Türmchens und atmete – ein und aus, ein und aus, ein und aus. Ich würde nicht weinen. Ich würde nicht weinen. Diesen Gefallen würde ich Helena, ihren Freunden und allen anderen nicht tun, selbst wenn gerade niemand da war, um meinen Zusammenbruch zu bezeugen.
    Meine Gefühle schwankten zwischen aufgelöst, verängstigt, traurig, melancholisch, entrüstet und wütend. Wieder hielt ich mich an der Wut fest, erinnerte mich an jede Beleidigung, jeden Fluch, jedes böse Starren, während ich mir vorstellte, jede dieser Erniedrigungen wäre ein Ziegelstein. Mit all diesen Steinen baute ich eine Mauer um mein Herz, um es gegen den Schmerz abzuschirmen.
    Es dauerte mehrere Minuten, aber schließlich fühlte ich mich ruhig genug, um mich dem Rest des Tages zu stellen. Zuerst tauschte ich die Bücher des Vormittags gegen die Bücher, die ich für den Nachmittagsunterricht brauchte. Deswegen fühlte ich mich nicht besser, aber zumindest beschäftigte es mich ein paar Minuten.
    Vics Auge öffnete sich, sobald ich ihn aus meiner Tasche zog und auf dem Schreibtisch an die Wand lehnte. »Mach dir keine Sorgen, Gwen. Es wird wieder gut. Du wirst schon sehen. Du bist nicht der erste Schüler, der fälschlicherweise beschuldigt wird, ein Schnitter zu sein. Sobald das Protektorat dich von allen Anklagepunkten freigesprochen hat, wird alles wieder normal.«
    Ich dachte an die Wut und den Ekel, die mir aus den Augen meiner Klassenkameraden genauso entgegengefunkelt hatten wie aus den Augen meiner Lehrer und jeder anderen Person, der ich heute begegnet war.
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass es je wieder dasselbe sein wird. Wie alle mich heute angesehen haben … als wäre ich ein widerlicher Käfer, den sie unter der Schuhsohle zerquetschen wollen … Der abgrundtiefe Hass in ihren Blicken …«
    Meine Kehle wurde eng, doch immerhin schaffte ich es erneut, die Tränen zurückzuhalten. »Ich konnte es fühlen, weißt du? Mit meiner Magie. Ich konnte genau spüren, wie sehr alle mich verabscheuen. Es war, als hätten sie wieder und wieder ein Schwert in mein Herz gerammt. Es hat mehr wehgetan als alles andere, was ich je erlebt habe. Mehr als Prestons Dolch in meinem Körper.«
    Ich rieb mir eine Stelle direkt über meinem Herzen. Trotz der Tatsache, dass Metis ihre Heilmagie auf mich angewandt hatte, war auf meiner Brust von Prestons Angriff eine helle Narbe zurückgeblieben. Eine weitere Narbe zog sich quer über meine rechte Handfläche, an der Stelle, wo Vivian mich mit dem Helheim-Dolch geschnitten hatte. Metis hatte mir erklärt, dass Artefakte, die so mächtig waren wie der Dolch, Wunden schlugen oder Narben hinterließen, die einfach nicht verheilten oder verschwanden. Egal, mit wie viel Magie man sie behandelte. Heute fühlte ich mich, als hätte ich eine weitere Narbe, nur dass diese sich in meinem Inneren befand, wo niemand sie sehen konnte – außer mir.
    »Gwen?«, fragte Vic.
    »Es wurde mit jeder Stunde schlimmer«, fuhr ich mit dumpfer Stimme fort. »Es war, als würden sie mich immer mehr hassen, je länger sie mich ansahen. Also glaube ich nicht, dass alles wieder normal wird. Ich weiß nicht mal, ob

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