Frostherz: Mythos Academy 3 (German Edition)
Schrecken wurde mir klar, dass es den verwundeten Jugendlichen draußen genauso ging – falls überhaupt noch welche von ihnen lebten. Ich hatte beim Kampf gegen das Schnittermädchen die restlichen Schüler und alles andere vollkommen vergessen.
»Glaubst du, die Schnitter sind weg?«, fragte ich Logan leise.
»Ich weiß es nicht. Aber wir müssen herausfinden, wie es den anderen Schülern im Museum geht.« Er atmete tief durch. »Und Nickamedes.«
Nickamedes und Logan waren so unterschiedlich, dass ich nur zu leicht vergaß, dass der Bibliothekar Logans Onkel war und er dem Spartaner genauso am Herzen lag wie mir meine Grandma Frost.
»Das ist alles schön und gut«, meldete sich Vic von seinem Platz an dem ausgestopften Pferd zu Wort. »Aber findet ihr nicht, dass ihr zuerst die Schnitter in diesem Raum kontrollieren solltet? Wendet einem Feind niemals den Rücken zu, bevor er sicher keine Bedrohung mehr darstellt. Du solltest das wissen, Spartaner.«
»Er hat recht.« Logan griff erneut nach seinem Schwert. »Wir müssen diesen Raum sichern, bevor wir nach den anderen schauen.«
Der Spartaner umrundete den Raum in der einen Richtung, ich in der anderen Richtung. Wir beide hielten unsere Schwerter in der Hand und kontrollierten die Schnitter auf dem Boden.
Sie waren alle tot. Das sah ich an den seltsamen Winkeln ihrer Arme und Beine, an der absoluten Reglosigkeit ihrer Körper und der Art, wie ihre blicklosen Augen stumpf hinter den Schlitzen der Gummimasken glitzerten.
Ich ließ den Blick ein letztes Mal durch den Raum schweifen, um sicherzustellen, dass ich keine Leiche übersehen hatte. Dabei blieb mein Blick an etwas Kleinem, Weißem hängen, das zwischen all dem Glas und Blut auf dem Boden lag. Ich ging hin und hockte mich davor, um es mir genauer anzusehen.
Auf dem Boden lag ein Stück Papier, das mehrmals gefaltet worden war. Das also war dem Schnittermädchen bei unserem Kampf aus der Robe gefallen. Seltsam. Ich hätte eigentlich erwartet, dass sie einen oder zwei zusätzliche Dolche in den Taschen versteckte.
Da ich mir nicht sicher war, welche Schwingungen an dem Papier hafteten und was ich sehen würde, wenn ich es mit bloßen Händen berührte, zog ich den Ärmel meines Kapuzenshirts über meine Finger und hob das Papier erst dann auf. Ich konnte es nicht öffnen, nicht ohne es zu berühren, also schob ich es einfach in meine Hosentasche.
»Was ist das?«, fragte Vic.
»Ich bin mir nicht sicher«, meinte ich. »Aber wahrscheinlich ist es wichtig. Ich hätte das Schnittermädchen fast enthauptet, als sie danach gegriffen hat.«
Vic schnaubte. »Zu dumm, dass du es nicht geschafft hast.«
Logan und ich trafen uns wieder in der Mitte des Raums, nachdem wir fertig waren. Daphne und Carson lagen immer noch auf dem Podium, aber da dieser Raum nur einen Eingang hatte, waren sie hier halbwegs sicher, während wir herausfanden, was im Rest des Museums vor sich ging.
»Bist du bereit, Gypsymädchen?«, fragte Logan sanft. »Denn das dort draußen wird kein schöner Anblick.«
Hier drin war es auch nicht gerade schön, aber das musste ich ihm nicht sagen. Er konnte das Blut und die Leichen genauso sehen wie ich.
»Ich weiß nicht, ob ich jemals bereit sein werde, aber wenn dort draußen noch Leute sind, denen wir helfen können, müssen wir es versuchen.«
Logan sah mich an und suchte meinen Blick. Dann legte er einen Arm um mich und drückte mich an sich. Ich schloss die Augen und konzentrierte mich auf das stetige Klopf-klopf-klopf seines Herzens unter meinen Fingern. Ich hätte für immer dort stehen und mich in diesem Geräusch verlieren können.
»Es geht uns gut«, flüsterte Logan. »Wir haben überlebt.«
Bei der Erinnerung an die schrecklichen Geschehnisse, an die furchtbaren Dinge, die wir alle getan hatten, stieg mir ein Schluchzen in die Kehle. Aber ich schluckte es herunter.
»Ich weiß«, flüsterte ich zurück. »Ich weiß.«
Logan hielt mich noch einen Augenblick fest. Dann gab er mich frei, hob sein Schwert und schob sich langsam Richtung Türrahmen. Ich packte Vic fester und folgte ihm. Zusammen spähten wir in den Hauptraum des Kolosseums.
Körper lagen überall auf dem Boden verteilt und sahen neben den zerstörten Artefakten aus wie größere Trümmerteile. Glas, Keramik, Metall und Holz bedeckten den Marmorboden wie ein zerfetzter Teppich. Alles, was zerstört werden konnte, war zerstört worden. Selbst die Gemälde hatte man von den Wänden gerissen und zertrampelt.
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