Frostherz: Mythos Academy 3 (German Edition)
ich lang genug wach bleiben wollte, um den Aufsatz fertig zu bekommen.
Ich wollte nach der Stunde noch zu Metis, um sie zu fragen, ob sie, Nickamedes oder Trainer Ajax etwas über die Schnitter herausgefunden hatten, die gestern das Kolosseum angegriffen hatten. Wer sie wirklich waren, wo sie sich vielleicht versteckten, ob das Schnittermädchen bei ihnen war. Ich wollte Metis außerdem fragen, was sie und die anderen in Bezug auf den Helheim-Dolch planten – ob sie zum Beispiel Gruppen organisieren wollten, um die Bibliothek zu durchsuchen. Die Professorin hatte mir die Originalkarte gelassen, nur für den Fall, dass ich weitere Schwingungen davon auffangen konnte, aber sie hatte sie noch ein paarmal kopiert, damit sie, Nickamedes, Ajax und wahrscheinlich auch Raven sie studieren konnten.
Zu meiner Überraschung packte die Professorin ihre Tasche und verließ den Raum bereits, als die Hälfte der Schüler noch anwesend war. Ich wunderte mich, wo Metis so eilig hinwollte, aber ich wollte mich nicht total zum Narren machen, indem ich mich durch die Menge drängte, ihr folgte und sie fragte.
Also reihte ich mich in den Strom der Schüler ein, die den Flur entlangeilten, trat durch die nächste Tür ins Freie und ging die Stufen des Gebäudes für Englisch und Geschichte nach unten. Es war kalt in den Cypress Mountains, selbst für Januar, und der eisige Wind durchdrang wie Nadeln den schweren Stoff meines Mantels mit dem purpurnen Schottenmuster. Wenn wir diese schreckliche, arktische Kälte schon ertragen mussten, hätte wenigstens Schnee liegen können, aber natürlich war das nicht der Fall. Ich weiß nicht, warum mir das aufs Gemüt schlug, aber so war es.
Ich fischte meine Handschuhe aus der Tasche und zog sie an, dann schlang ich mir den grauen Wollschal mit den glitzernden Schneeflocken darauf um den Hals. Außerdem zog ich die dazu passende Mütze über den Kopf. Aber die zusätzlichen Stoffschichten halfen nicht so sehr, wie es der Fall hätte sein sollen.
Immer noch in Gedanken über die Kälte, Metis und das Schnittermädchen versunken ließ ich den oberen Hof hinter mir, stiefelte den Hügel hinunter und eilte über die unteren Höfe. Ich zog den Kopf ein und ging immer weiter, bis ich den Rand des Campus erreichte und damit die fast vier Meter hohe Mauer, welche die Mythos Academy vom Rest der Welt trennte.
Die Eisenstangen des Tores ragten vor mir auf und erinnerten mich daran, wo genau ich mich befand – und dass ich hier nicht sein sollte. Heute zumindest nicht. An den meisten Nachmittagen schob ich mich durch das Gitter, ging zur Bushaltestelle und fuhr in die Stadt, um Grandma Frost zu besuchen. Aber ich hatte vergessen, dass ich Grandma wegen des Schnitterangriffs versprochen hatte, die Schule nicht zu verlassen. Obwohl ich sie gerne gesehen hätte, wollte ich nicht, dass meine Grandma sich mehr Sorgen um mich machen musste, als sie es sowieso schon tat.
Mit einem Seufzen sah ich auf die Uhr. Ich hatte immer noch eine Menge Zeit totzuschlagen, bevor ich meine übliche Schicht in der Bibliothek der Altertümer antreten musste. Trotz der Kälte hatte ich keine Lust, in mein Zimmer zurückzugehen, um dort endlos zu grübeln: über Logan, das Schnittermädchen, darüber, wo meine Mom den Helheim-Dolch versteckt hatte, und über alles andere, was mich im Moment beschäftigte.
In der Hoffnung, mit der Walküre abhängen zu können, rief ich Daphne an, aber sie ging nicht dran. Seltsam. Meine beste Freundin gehörte zu diesen besessenen Leuten, die immer an ihr Handy gingen. Selbst wenn ihr jemand nur eine SMS schrieb, rief Daphne gewöhnlich sofort zurück. Ich fragte mich, was mit der Walküre los war. Erst war sie beim Mittagessen aus dem Speisesaal verschwunden und jetzt ging sie nicht an ihr Handy. Es war nicht allzu schwer zu erraten, dass es etwas mit dem zu tun hatte, was im Kolosseum geschehen war. Ich konnte mir nur nicht vorstellen, was es war. Sicher, der Angriff war beängstigend und schrecklich gewesen, aber wir hatten ihn gut überstanden. Darauf konzentrierte ich mich oder versuchte es zumindest, auch wenn ich heute mehr als einmal Samson Sorensens tote Augen vor mir gesehen hatte, genau wie die der anderen Schüler.
Da ich nichts zu tun hatte, entschied ich, einfach den grauen Pflasterwegen zu folgen, die parallel zur Mauer verliefen, um mal zu sehen, wo sie mich hinführten. Gewöhnlich ging ich einfach nur zum Tor und rannte dann zur Bushaltestelle. Ich hatte mir nie die Mühe
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