Frostherz: Mythos Academy 3 (German Edition)
Minuten später schlief ich ein.
Ein Durcheinander von Bildern füllte meinen Kopf. Jede Person und alles andere, was ich in den letzten Tagen gesehen hatte. Manchmal tickte mein Geist aus, während mein Gehirn darum kämpfte, all die Informationen zu verarbeiten, die meine Gypsygabe täglich herunterlud.
Der Angriff aufs Kolosseum. Das Schnittermädchen und das rote Blitzen in ihren Augen. Das Gefühl von Vic in meinen Händen und das Knurren des Schwertes, während ich mit ihm gegen die Schnitter kämpfte. Das bösartige Flüstern in der Bibliothek und das schreckliche, schmerzhafte Gefühl von Fingern, die sich in meinen Kopf bohrten. All die Bilder von Schwarzen Rocks, die ich im Wohnzimmer des Schnittermädchens gesehen hatte, verwandelten sich plötzlich in echte Wesen, hoben ab und warfen sich auf mich, pickten mit ihren scharfen Schnäbeln nach mir, erstickten mich mit ihren dicken, schwarzen Flügeln.
Schließlich sah ich die Greifen, die den Eingang zur Bibliothek bewachten. Sie starrten mich wie gewöhnlich direkt an, doch sie waren nicht aus Stein, und ihre Augen waren rot – Schnitterrot. Ich beobachtete entsetzt, wie einer von ihnen, der rechte, von seinem Sockel sprang und auf mich zuschlich …
In kalten Schweiß gebadet wachte ich auf und kämpfte mit den Decken, die sich um mich gewickelt hatten wie eine Würgeschlange. Nach ein paar Sekunden wurde mir klar, dass ich wach und die Greifen, Rocks und der gesamte Rest nur ein Traum gewesen war. Nur ein verdammter Traum , wie Vic sagen würde. Ich schaute zum Nachttisch, an dem das Schwert lehnte. Vics Auge war geschlossen und sein Mund entspannt. Er murmelte leise, was mir verriet, dass er tief und fest schlief.
»Dämliche Schnitter«, grummelte das Schwert. »Werde sie alle töten …«
Ab und zu zuckte Vics Auge, als jagte er die Schnitter in seinen Träumen. Ausnahmsweise brachte mich die Blutrünstigkeit des Schwertes zum Lächeln. Es war schön zu wissen, dass ich mich immer darauf verlassen konnte, dass Vic, na ja, eben Vic war. Selbst wenn er schlief.
Da ich nicht wieder einschlafen konnte, stand ich auf und grub das Tagebuch meiner Mom aus meiner Schultasche. Ich hatte die Tasche im Gefängnis stehen lassen, als ich Preston und das Schnittermädchen verfolgt hatte, aber Metis hatte sie mir mitgebracht. Also schaltete ich das Licht an und blätterte durch die verknitterten Seiten. Aber heute Nacht konnten mich nicht einmal die Worte meiner Mom beruhigen.
Ich legte das Tagebuch zur Seite, aber es steckte ja noch ein anderes Buch in meiner Tasche – das Greifenbuch, das ich gestern Abend aus der Bibliothek mitgenommen hatte. Die Verwendung von Greifen, Gargoyles und anderen mythischen Kreaturen in der Architektur. In Gedanken noch bei dem seltsamen Traum von den Statuen, öffnete ich das Buch, rutschte tiefer unter meine Decke und fing an zu lesen.
Zum größten Teil war es schrecklich, schrecklich langweilig. Vielleicht war es cool, wenn man sich für Architektur und alte Gebäude interessierte, aber auf mich wirkte es total einschläfernd. Nach ein paar Seiten, die sich zogen wie Gummi, hörte ich auf zu lesen und blätterte einfach nur durch die Seiten, um die Fotos anzuschauen, die um einiges interessanter waren. Grundsätzlich zeigte das Buch Bilder von Statuen in Form von Kreaturen auf berühmten Gebäuden der mythologischen Welt. Die meisten Bauwerke erkannte ich nicht, aber das Kreios-Kolosseum wurde behandelt – genau wie die Bibliothek der Altertümer. Es gab jede Menge Fotos von den Statuen an der Bibliothek. Und von all diesen war der meiste Platz den zwei Greifen am Eingang gewidmet. Ihnen war allein eine ganze Doppelseite vorbehalten.
Höhe, Gewicht, verwendeter Stein. All das und mehr wurde in langweiligen, kleinen Infoboxen aufgezählt. Die Statuen waren ungefähr zwei Meter zehn hoch und wogen jede für sich an die drei Tonnen. Nur zwei Meter? Wirklich? Mir kamen sie immer um einiges größer vor. Selbst auf den Bildern wirkten sie viel höher, aber ich war mir nicht sicher, ob das vielleicht einer Lichtspiegelung auf den Seiten zu verdanken war.
Ich seufzte. Ich wusste eigentlich gar nicht, warum ich meine Zeit damit verschwendete, die Greifen anzustarren. Schließlich waren sie nur Statuen. Eigentlich war ich hinter dem Helheim-Dolch her, auch wenn ich keinen Schritt näher dran war, ihn zu finden, als am Anfang meiner Suche. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass das Schnittermädchen mich diese Woche zweimal
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