Frostherz: Mythos Academy 3 (German Edition)
angetan hatte.
»Und was jetzt?«, fragte Oliver. »Ich nehme mal an, dass Sie nicht den Rest des Tages eine Leiche in der Küche liegen haben wollen.«
Grandma sah zu dem toten Schnitter. Die Stiefel des Mannes spähten ein wenig unter dem Rand des Tuches hervor. »Jetzt rufen wir Aurora an«, erklärte sie. »Und erzählen ihr, was passiert ist.«
Grandma rief in der Akademie an, und eine halbe Stunde später erschienen Metis, Nickamedes und Trainer Ajax, zusammen mit mehreren Männern und Frauen in schwarzer Schutzkleidung. Ich hatte halb erwartet, dass auch Raven dabei sein würde, aber sie tauchte nicht auf. Vielleicht wäre Preston nicht entkommen und hätte auch meine Grandma nicht ins Visier genommen, wenn Raven im Gefängnis Wache gehalten hätte wie gewöhnlich. Vielleicht hätten wir sogar das Schnittermädchen fangen können, wenn Metis bei mir geblieben wäre. Ich wusste nicht genau, auf wen ich im Moment wütender war – auf Preston und das Schnittermädchen wegen der Flucht oder auf Raven und Metis, weil sie nicht da gewesen waren, als ich sie gebraucht hatte.
Kurz bevor sie kamen, brachte ich Nott nach draußen in die Garage hinter dem Haus. Ich wusste nicht, wie Metis und die anderen auf den Fenriswolf reagieren würden, und ich wollte nicht, dass sie verletzt wurde oder jemand versuchte sie wegzuschaffen. Grandma stimmte mir zu, immerhin hatte Nott ihr das Leben gerettet. Sie gab mir ein paar Decken und einen Eimer mit Wasser. Oliver trug die Sachen für mich in die Garage. Der Spartaner ging zurück ins Haus, während ich die weichen Decken auf dem Betonboden ausbreitete und mich bemühte, es Nott so bequem wie möglich zu machen.
Als ich fertig war, ließ sich die Wölfin mit einem langen Seufzen auf das Lager fallen. Ihre Ohren sanken nach unten, und ihre rostfarbenen Augen wirkten stumpfer als sonst. Sie schien müde zu sein. Ich fuhr mit den Händen über ihren Körper und rief meine Psychometrie, weil ich fürchtete, sie könnte eine Verletzung haben, die wir übersehen hatten. Aber der Wölfin ging es gut. Ich konnte fühlen, dass der Lauf zum Haus sie erschöpft hatte, aber zum ersten Mal empfing ich auch das Gefühl, dass etwas anderes mit ihr nicht stimmte – etwas, das über normale Erschöpfung hinausging. Es schien fast, als fräße etwas von innen an ihr, das ihr alle Kraft raubte. Wieder sandte ich meine Gypsygabe aus, aber ich konnte nicht feststellen, was es war.
Also verbrachte ich ein paar Minuten damit, Nott zu kraulen, dann ging ich zurück ins Haus.
Während die Leute in den Schutzanzügen die Unordnung im Haus aufräumten, versammelte sich der Rest von uns in der Küche. Metis setzte ihre Magie ein, um die Verletzungen zu heilen, die Grandma Frost und ich im Kampf gegen die Schnitter eingesteckt hatten. Nachdem die Professorin damit fertig war, zog Ajax das Tuch zurück und enthüllte das Gesicht des Toten. Ich erkannte ihn nicht, und zu meiner Überraschung trug er keine Schnittermaske. Wahrscheinlich weil Preston und das Schnittermädchen geglaubt hatten, dass meine Grandma niemandem mehr erzählen konnte, wie der Kerl ausgesehen hatte. Allein bei dem Gedanken krampfte sich mein Herz angsterfüllt zusammen.
Ich starrte auf den toten Kerl hinunter, und nach einem Moment runzelte ich die Stirn. Irgendetwas nagte an mir. Etwas, das mit dem Schnittermädchen und ihrer Maske zu tun hatte, etwas, das sie in der Erinnerung getan oder gesagt hatte, in der sie die Karte der Bibliothek der Altertümer angesehen hatte. Ich rief die Erinnerung mit meiner Psychometrie auf. Das Schnittermädchen, das auf die Karte starrte und mit dem Mann neben ihr über den Helheim-Dolch sprach, all die unheimlichen Gemälde und Schnitzereien von Schwarzen Rocks im Raum. Ich spielte die Bilder wieder und wieder in meinem Kopf ab, aber ich kam einfach nicht darauf, was damit nicht stimmte.
»Gwen?«, fragte Metis. »Glaubst du, du könntest versuchen, Schwingungen von dem Toten aufzufangen? Es könnte hilfreich sein. Er weiß vielleicht, wo Preston hin will oder wer das Schnittermädchen wirklich ist.«
Überrascht sah ich sie an. »Ich soll die Leiche berühren? Warum? Im Kolosseum haben Sie mich nicht gebeten, irgendeinen der Toten zu berühren.«
Metis warf Ajax und Nickamedes einen kurzen Blick zu. »Wir haben schon damals daran gedacht, dich darum zu bitten, aber wir wollten dir das nicht antun, nachdem du gerade gesehen hattest, wie Klassenkameraden gestorben sind. Aber
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