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Frostkuss

Frostkuss

Titel: Frostkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Estep
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dritten Stock gibt es einen Lagerraum, den kaum jemand je betritt. Ich habe seit dem Beginn des Schuljahres dort heimlich Dinge versteckt. Essen, Kleidung, einen Schlafsack. Dort war ich auch die letzten Tage, zusammen mit der Schale. Nickamedes hat so viele Zauber auf die Schale gelegt, die ich nicht brechen konnte, dass es unmöglich gewesen wäre, die Bibliothek zu verlassen. Also habe ich meine Illusionsmagie benutzt, um sie zu verstecken und alle glauben zu lassen, dass die Schale gestohlen und weit, weit weg gebracht wurde. Es hat auch funktioniert. Alles hat funktioniert – aber dann hast du angefangen herumzuschnüffeln.«
    Ich verlagerte das Gewicht.
    Jasmine starrte mich an und legte den Kopf schief. »Weißt du, ich habe dich die letzten Tage beobachtet, und ich verstehe einfach nicht, wieso ich dir so viel bedeute. Du warst keine meiner Freundinnen. Du kanntest mich nicht mal.«
    »Das stimmt«, gab ich mit ruhiger Stimme zu. »Aber ich fand, dass du es nicht verdient hattest, so zu sterben. Ich wollte herausfinden, was dir zugestoßen ist. Du hast mir leidgetan, also, es hat mir leidgetan, dass du gestorben bist.«
    Jasmines Miene versteinerte. »Du? Hattest Mitleid mit mir? Du bist ein Niemand, Gypsy. Du hast keine Freunde, und du gehörst hier nicht hin. Du bist jämmerlich.«
    Der Hohn in ihrer Stimme sorgte dafür, dass ich mich ein wenig aufrechter hinstellte. »Ich habe einen Namen. Ich heiße Gwen Frost. Und ich bin kein Niemand . Du hältst mich für jämmerlich? Ich bin nicht diejenige, die ihren eigenen Tod vorgetäuscht hat, nur um sich auf kranke Art an ihrer besten Freundin zu rächen. Das ist jämmerlich.«
    Jasmines Miene verfinsterte sich bei der Beleidigung, aber trotzdem lachte sie auf. »Du glaubst, hier ginge es darum, mich an Morgan zu rächen? O Gypsy, du hast wirklich keine Ahnung, womit du es zu tun hast, oder?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Dann erzähl es mir. Du bringst mich doch sowieso um.«
    »O ja«, erklärte Jasmine und erstickte damit die Hoffnung, dass sie mich am Leben lassen könnte. »Aber hier geht es um so viel mehr als Morgan und die Tatsache, dass sie einfach ihre Beine nicht zusammenhalten kann. Hier … hier geht es um Chaos.«
    Als sie das Wort »Chaos« aussprach, wehte eine Art … Windstoß durch die Bibliothek, jagte mir eine Gänsehaut über den Rücken und ließ die Bücherregale knarzen. Aber das Seltsamste geschah mit der Schale der Tränen. Morgan hielt sie immer noch in den Händen, aber für einen Moment hatte ich das Gefühl, als schimmere darüber eine Art Gesicht in der Luft. Ein verdorbenes, bösartiges, geschmolzenes, schreiendes Gesicht. Der Anblick zog mir den Magen zusammen.
    »Du bist … du bist tatsächlich ein Schnitter des Chaos?«, flüsterte ich. »Eine der Bösen? Du dienst in Wirklichkeit dem Gott Loki und willst ihn in diese Welt zurückholen?«
    Jasmine nickte. »Jetzt kapierst du’s endlich. Es gibt jede Menge Schnitter auf Mythos, Schüler und Professoren. Und ich bin auch nicht allein. Meine gesamte Familie besteht aus Schnittern. Wir waren es schon immer. Aber psst. Erzähl es niemandem auf der Akademie. Alle Professoren sind der Meinung, meine Familie wäre gut und ich damit aus gutem Hause. Metis würde wirklich einen Anfall kriegen, wenn sie erfährt, dass meine Familie Loki schon seit Jahrhunderten dient. Als sie in Mythengeschichte verkündet haben, dass Nickamedes die Schale der Tränen aus dem Lager holt und in der Bibliothek ausstellt, na ja, die Gelegenheit war einfach zu gut, um sie sich entgehen zu lassen. So konnte ich mich gleichzeitig an Morgan rächen und meinem Gott dienen.«
    »Aber …«
    »Genug!«, blaffte sie. »Genug geredet. Du langweilst mich. Langsam wird es Zeit, dass wir weitermachen, und zwar angefangen mit dem Opfer, das Morgan heute Nacht bringen wird.«
    Sie drehte sich zu der anderen Walküre um. Morgan hatte die ganze Zeit still und erstarrt dagestanden, obwohl immer noch Blut aus der Wunde sickerte, die Jasmine ihr mit der Krone der Ballprinzessin zugefügt hatte, und über ihre Wange rann.
    »Morgan«, sagte Jasmine, und ihre Stimme klang genau wie das Fauchen des Pirschers. »Leg dich auf einen der Tische und nimm die Schale mit. Und verschütte nicht einen einzigen Tropfen des Blutes darin.«
    Morgan setzte sich mit einem Ruck in Bewegung, als wäre sie eine Marionette und Jasmine zöge an ihren Fäden. Ich beobachtete entsetzt, wie Morgan auf den nächstgelegenen Tisch kletterte,

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