Frostnacht
Hinweise auf Bewegungen, die mir verrieten, wo Jason sich aufhielt.
Nichts – wieder einmal sah und hörte ich nichts.
Nun, wenn Jason nicht zu mir kam, würde ich ihn eben selbst finden müssen. Also packte ich Vic fester und schob mich den Gang entlang, wobei ich ständig vor und hinter mich sah und auch nach rechts und links durch die Buchreihen spähte. Nyx trottete neben mir her wie eine welpengroße Wache. Die junge Fenriswölfin war still, auch wenn ihre Krallen leise über den Boden kratzten. Ich überlegte, ob ich nach Oliver rufen sollte, aber ich wollte Jason meine Position nicht verraten …
Gerade dachte ich darüber nach, zu den Studiertischen in diesem Teil der Bibliothek abzubiegen, als Nyx ein wildes Knurren ausstieß und ein Schwert aus der Dunkelheit schoss. Ich sprang nach links. Die Klinge traf das Metallgestell eines Regals fest genug, dass rote Funken durch die Luft schossen.
Ich wirbelte herum. Jason stand hinter mir. Jeans, Pulli, nettes Gesicht. Er sah aus wie immer, nur mit einem deutlichen Unterschied – seine Augen glühten rot. In einem hellen, wilden, intensiven Rot, das mir genau verriet, wie sehr er mich hasste – und wie dringend er mich umbringen wollte.
Der Schnitter stieß einen wilden Kampfruf aus und hob seine Waffe zum nächsten Schlag.
Klirr-klirr-klong!
Hin und her tanzten wir in unserem Kampf zwischen den Tischen. Nyx sprang um uns herum und versuchte in den Kampf einzugreifen, aber Jason und ich bewegten uns einfach zu schnell. Er fluchte jedes Mal, wenn ich einen seiner Angriffe parierte, aber ich machte mir nicht die Mühe, ihm zu antworten.
Ich wollte ihn nur töten.
»Gwen!« Olivers Stimme hallte durch die Gänge.
»Hier drüben!«, rief ich zurück.
Jason schlug mit dem Schwert nach mir, sodass ich zurückspringen musste. Er blickte über seine Schulter und entdeckte dasselbe, was ich auch sah – Oliver, der durch die Regalreihen rannte, immer noch die Tastatur in der Hand.
Jason warf sich nach vorne. Der Angriff überraschte mich, und ich stolperte noch ein paar Schritte rückwärts, wobei ich mit der Hüfte gegen einen der Studiertische stieß. Ich knurrte vor Schmerz und hob Vic, weil ich damit rechnete, dass Jason mich fertigmachen wollte, während ich meine Deckung vernachlässigte. Doch stattdessen drehte er sich um und rannte wieder davon. Ich wollte ihm folgen, blieb aber an einem Stuhl hängen. Es kostete mich ein paar wertvolle Sekunden, mich zu befreien, obwohl ich genau wusste, dass jede Verzögerung die Flucht des Schnitters begünstigte.
Doch ich hatte vergessen, dass ich nicht die Einzige war, die gegen den Schnitter kämpfte – Nyx kämpfte an meiner Seite.
Ich hatte keine Ahnung, wie sie es geschafft hatte, da sie eigentlich hinter mir gewesen war, aber der Fenriswolf-Welpe spannte seine Muskeln an, sprang und segelte weiter durch die Luft, als ich es je zuvor gesehen hatte – um dann hinten auf einem von Jasons Oberschenkeln zu landen.
Nyx knurrte noch einmal, dann versenkte sie ihre nadelspitzen Milchzähne im Fleisch des Schnitters. Jason schrie vor Schmerz auf und stolperte weiter, wobei sein Bein fast nachgegeben hätte. Nyx zog sich kurz zurück, dann biss sie wieder zu. Jason schaffte es, sie abzuschütteln, sodass der Wolfswelpe über den Boden rutschte, doch jetzt humpelte er nur noch auf eine der Seitentüren zu. Er erreichte sie, schob sie auf und wankte nach draußen.
Endlich kam Oliver bei mir an. »Gwen! Geht es dir gut?«
»Prima. Wir müssen ihn erwischen!«
Er nickte. Zusammen rannten wir hinter unserem Feind durch die Tür. Nyx kämpfte sich auf die Füße und folgte uns.
Die kleine Wölfin musste bei Jason mehr Schaden angerichtet haben, als ich gedacht hatte, denn er war noch nicht besonders weit gekommen. Bis jetzt war er nur die Stufen nach unten gehumpelt und hatte es ein paar Schritte auf den Hof geschafft. Hinter ihm zog sich eine Spur aus Blutstropfen über den Boden. Oliver schmiss die Tastatur zur Seite, sprang auf das Geländer um den Arkadengang und warf sich auf Jasons Rücken. Die beiden Jungs fielen mit einem hörbaren Aufprall auf den Boden.
Jason versuchte Oliver anzugreifen, aber der Spartaner schlug das Schwert des Schnitters zur Seite. Jason schaffte es, Oliver abzuwerfen, und sofort sprangen beide auf die Füße.
Ich rannte die Stufen hinunter, Vic noch in der Hand, dann näherten Oliver und ich uns langsam dem Schnitter. Nyx war ebenfalls an unserer Seite, den Blick ihrer violetten
Weitere Kostenlose Bücher