Frostnacht
Brust und wandte den Kopf Richtung Fenster, um mich und meine Freunde demonstrativ zu ignorieren. Wir setzten uns ebenfalls, wobei wir darauf achteten, uns so weit wie möglich von den toten Schnittern und dem Blut fernzuhalten. Ich versuchte Rorys Blick einzufangen, aber sie starrte mit derselben grimmigen Entschlossenheit aus dem Fenster, die sie auch während des Kampfes gezeigt hatte. Sie mochte mir ja das Leben gerettet haben, aber offensichtlich war sie nicht glücklich darüber. Ich fragte mich, woran das lag. Ich hatte sie vor dem heutigen Tag niemals getroffen oder auch nur flüchtig gesehen, also hatte ich keine Ahnung, warum sie einen solchen Groll gegen mich hegte. Gewöhnlich musste ich zumindest ein paar Minuten mit Leuten verbringen, bevor ich sie gegen mich aufbrachte.
Vielleicht lag es an Rorys Abneigung gegen mich oder an der Tatsache, dass unser Waggon jetzt voller toter Schnitter war. Auf jeden Fall konnte ich das Gefühl nicht unterdrücken, dass eine riesige Axt über meinem Kopf hin und her schwang. Es blieb nur noch zu sehen, wann sie endlich fiel.
Ungefähr eine Viertelstunde später fuhr der Zug im Bahnhof von Snowline Ridge ein. Meine Freunde und ich schnappten uns unsere Sachen und verließen den Waggon. Auf dem Bahnsteig stand bereits eine Gruppe von Männern und Frauen, die alle schwarze Overalls trugen, in deren Krägen mit weißem Faden das Hand-mit-Waage-Symbol des Protektorats eingestickt war. Die Protektoratsmitglieder warteten, bis wir den Zug verlassen hatten, bevor sie mit ihren Metallbahren in den Waggon einstiegen, in dem die toten Schnitter lagen.
Den anderen Passagieren des Zuges fiel nun doch auf, dass etwas passiert war. Mehr als nur ein paar Jugendliche hoben ihre Handys und schossen Fotos von mir und meinen Freunden, bevor sie anfingen, wie wild SMS zu schreiben. Jemand musste jemanden kennen, der etwas über mich wusste, denn kaum zwei Minuten später piepte so gut wie jedes Handy, und verschiedene Gesprächsfetzen drangen an mein Ohr.
»Ihr Name ist Gwen Frost …«
»Angeblich ist sie ein Champion …«
»Offensichtlich haben die Schnitter ihr Ärger gemacht …«
Nun, da gingen Ajax’ Hoffnungen zum Teufel, so lang wie möglich inkognito zu bleiben. Ich verzog das Gesicht. Vielleicht würde es hier auf der Akademie in Colorado auch nicht anders laufen als zu Hause. Schnitter, die versuchten, mich umzubringen. Abgehakt. Alle starrten mich an. Abgehakt. Schüler, die hinter meinem Rücken über mich flüsterten. Mehr als abgehakt. Bis jetzt war es, als hätte ich meine eigene Mythos Academy nie verlassen.
Die einzige Person, die genauso jämmerlich wirkte wie ich, war Rory. Das Spartanermädchen stand allein am Rand des Bahnsteiges. Und wieder bemerkte ich, dass die anderen Schüler sorgfältig darauf achteten, ihr aus dem Weg zu gehen – wenn sie nicht gerade damit beschäftigt waren, sie zu verhöhnen und über sie zu lachen.
»Natürlich war sie im Waggon mit den Schnittern …«
»Das ist wahrscheinlich so ein Familiending …«
»Ich habe keine Ahnung, warum sie überhaupt mit uns zur Schule gehen darf …«
Es klang, als wären die anderen davon überzeugt, dass Rory etwas mit den Schnittern zu tun hatte. Aber warum sollten sie das denken? Sie hatte uns im Kampf gegen die Anhänger Lokis beigestanden. Wäre sie wirklich einer von ihnen gewesen, hätte sie sich dem Angriff angeschlossen – und hätte zugelassen, dass dieser Armbrustbolzen sich in meinen Schädel bohrte. Ich runzelte die Stirn und sah Rory nachdenklich an, aber wieder einmal weigerte sie sich, meinen Blick zu erwidern.
»Kommt«, sagte Ajax und unterbrach damit meine Grübelei. »Von hier ist es nur ein kurzer Fußweg zur Akademie. Wir müssen ankommen, uns einrichten und Pläne für morgen schmieden.«
Wir warfen uns unsere Taschen über die Schultern und folgten dem Strom von Schülern durch den Bahnhof und in die Stadt. Ajax führte unsere Gruppe an, mit Carson und Daphne hinter ihm, dann kam ich. Oliver und Alexei bildeten die Nachhut.
In vielerlei Hinsicht war Snowline Ridge das genaue Ebenbild von Cypress Mountain. Designerläden, Coffee-Shops und schicke Cafés reihten sich an den breiten Straßen, und die Schaufenster enthielten teure Klamotten, Schmuck, High-End-Elektronik und mehr. Ich entdeckte ein paar Parkplätze voller Aston Martins und BMW s, zusammen mit stabilen SUV s und teuren Pick-ups mit Allradantrieb, der das Fahren auf den vereisten Straßen der Gegend
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