Frozen Time (German Edition)
Zugang zu den Aufzeichnungen haben, die es über mich gibt, wie etwa zu meinem Krankenreport. Und vielleicht kann ich etwas darüber herausfinden, was er weiß, wenn ich ihm von meinen Vermutungen erzähle. Ich muss es nur geschickt anstellen …
»Ich … hatte eine Erinnerung«, sage ich zögernd.
»Wirklich? Was?« Sofort richtet Milo sich gerade auf und seine Hand zuckt zum SmartSet, um unser Gespräch aufzuzeichnen. Seine Augen scheinen mich förmlich zu durchdringen bei dem Versuch, in meinen Kopf zu sehen. Er hat angebissen.
»Milo?«, frage ich bittend. »Könntest du dein SmartSet ausschalten und mir erst mal zuhören?«
Verwundert schaut er mich an, die Stirn gerunzelt, sodass seine Brauen über der Nasenwurzel beinahe zusammenstoßen.
»Würdest du mir bitte erst mal zuhören?«, wiederhole ich.
Zu meiner Erleichterung greift sein Finger wieder hinters Ohr und schaltet das SmartSet in
Standby.
Dankbar lächle ich ihn an. Ich weiß, dass er vermutlich gegen die Anweisungen verstößt, die er bekommen hat. Auf jeden Fall aber schadet er seinem eigenen Forschungsprojekt, wenn er unser Gespräch nicht aufzeichnet.
»Also?« Milos Blick ist nun ganz konzentriert auf mich gerichtet.
»Erinnerst du dich an die Nachrichtenübertragung, die wir gesehen haben?«, beginne ich vorsichtig.
Milo nickt, noch immer ist seine Stirn leicht gerunzelt, als wüsste er nicht, wohin diese Frage führen soll.
»Darin ging es um das
Projekt Frozen Time
und um die Bürger, die aus der Kühlung erweckt worden sind«, taste ich mich behutsam vor.
Wieder nickt Milo. Ungeduldig klopfen seine Finger auf das leere ReflektoPad in seiner Hand. Er wirkt so angespannt, wie ich mich fühle.
»Ich glaube, ich kenne jemanden, dessen Körper gekühlt wurde, weil er schwer krank war.« Ich hole tief Luft und rede schnell weiter, damit Milo mich nicht unterbrechen kann. »Und ich habe die Vermutung, dass ich ebenfalls gekühlt war, nur dass es bei meiner Erweckung zu Komplikationen gekommen sein muss.«
Was für ein ungeheuerlicher Gedanke das ist, wird mir erst jetzt bewusst, als ich ihn laut ausspreche. Mein Körper, gekühlt, eingefroren in einer Kryobox. Und das möglicherweise über einen langen Zeitraum. Bis zu sechzig Jahre, hieß es in der Übertragung. Kann es tatsächlich möglich sein, dass mein Körper,dass ich für eine so lange Zeit nur konserviert wurde? Der Gedanke lässt mich frösteln.
Immerhin würde das vieles erklären: Warum ich das Freizeit-Center in Block B-VI-7 zwar kannte, aber nichts dort wiedererkannt habe. Und auch, weshalb hier auf der Intensivstation mehrere Patienten liegen, die sich angeblich alle mit dem gleichen Virus infiziert haben, aber nie zuvor im Leben etwas miteinander zu tun hatten.
»Glaubst du, dass das möglich ist?«, frage ich Milo. Und als er nicht sofort reagiert, mich nur aus seinen dunklen, beinahe schwarzen Augen mit undurchdringlicher Miene mustert, korrigiere ich meine Frage: »Weißt du womöglich, dass es so ist?«
Noch immer kommt von Milo keine Reaktion, und ich spüre, wie Wut von einer Sekunde auf die andere in mir aufsteigt, meinen ganzen Körper erfasst und die Kontrolle übernimmt. Das war nicht mein Plan. Ich wollte ruhig bleiben, wollte Milos Reaktion auf meine Vermutungen ausloten, um daraus meine eigenen Schlüsse ziehen zu können, doch die Wut fühlt sich an wie eine hohe Welle, eine emotionale Sturmflut, gegen die ich nichts tun kann. Wut über meine Situation. Wut auf Milo, der mich nicht an seinem Wissen über mich teilhaben lässt, sondern mich in meinem eigenen Nebel stochern und graben lässt, bis ich die schrecklichsten Erinnerungen hervorgekramt habe. Ich sollte nicht so wütend sein, ich sollte meine Emotionen viel besser unter Kontrolle haben, ich weiß das, aber ich kann mich nicht bremsen, fasse nach Milos Schulter und schüttele ihn heftig, damit er endlich etwas sagt.
Er zuckt zurück, doch sofort hat er sich wieder im Griff und zeigt eine Miene, die wohl beruhigend wirken soll. Auch seinetiefe Stimme ist ganz ruhig. »Tessa, ich weiß wirklich nicht, wovon du sprichst«, sagt er. »Ich habe keinerlei Informationen darüber, dass dein Körper gekühlt wurde. Und ich glaube auch nicht, dass es so ist. Bitte, atme jetzt tief durch und dann berichtest du mir erst einmal von deinen Erinnerungen.«
Ich bin selbst so geschockt über meinen Ausbruch, dass ich bereits wieder zur Besinnung komme und mich auf meine Atmung konzentriere – ein, aus,
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