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Frucht der Sünde

Frucht der Sünde

Titel: Frucht der Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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auf.
     
    Entschlossen betrat Jane Lucys Haus und zog die Tür hinter sich zu. Dann blieb sie wie erstarrt stehen. Der Winterponcho hing auf dem Pfosten des Treppengeländers. Er sah genau so aus, wie sich ein Kind einen Geist vorstellt. Jane war ein bisschen erschrocken, gleichzeitig stiegen ihr die Tränen in die Augen. Sie schlang die Arme um den Poncho und vergrub ihr Gesicht im Stoff. Stärker als beim Anblick von Lucys Körper auf der Straße wurde ihr, als sie den kratzigen Stoff und den leblosen Pfosten darunter spürte, klar, dass die wundervolle Lucy Devenish niemals mehr zurückkommen würde.
    Sie trat zurück, und der Poncho rutschte vom Pfosten auf den Boden und wirkte nun, als habe sich der Geist, der vielleicht noch ihn ihm gewohnt hatte, endgültig verflüchtigt. Eilig hob Jane den Poncho auf, ging mit ihm die schmale Treppe hoch, suchte Lucys Schlafzimmer und legte ihn auf das Bett. Dann verließ sie es ohne einen weiteren Blick wieder, denn ein Schlafzimmer gehört schließlich zur Privatsphäre.
    Danach ging Jane ins Bad und betrachtete sich im Spiegel. Sie sah wirklich aus wie ein Kind, und die Tränenspuren auf ihren Wangen verstärkten das noch. Sie wusch sich das Gesicht, trocknete es ab und hätte am liebsten erneut angefangen zu schluchzen.
    Jetzt reiß dich mal zusammen, du kleine Heulsuse!
    Sie versuchte die Worte mit Lucys Stimme zu hören, aber es gelang ihr nicht. Oder war da doch etwas?
    Lucy war nicht mehr da, und außer ihr gab es niemanden, derwusste, was in Ledwardine wirklich vor sich ging. Das ganze Dorf war ordentlich und aufpoliert, so wie die alten Werkzeuge, die im
Black Swan
an der Wand hingen und von denen auch niemand mehr wusste, wozu sie einmal gebraucht worden waren.
    Wieder im Erdgeschoss, fühlte sie sich ein bisschen besser. Sie ging in die Küche, deren Fenster auf das alte Bowlingfeld hinausgingen. Unter dem Fenster war die Spüle, und daneben stand ein massiv wirkender gusseiserner Herd, dann ein Kühlschrank und eine Anrichte. Darauf thronte ein Pappkarton, neben dem eine Grußkarte lag.
     
    MIT BESTEN EMPFEHLUNGEN
    VOM LEDWARDINE FESTIVAL.
    VIELEN DANK FÜR IHRE UNTERSTÜTZUNG !
    BARRY BLOOM
     
    Der Karton enthielt sechs Champagnerflaschen. Jane zog eine heraus und hatte das verzierte Etikett mit dem vertrauten Kirchturm vor sich. Darunter stand in altmodischer Schrift:

    Oh Lucy. Wahnsinn.
    Jane ging schnell zur Hintertür, entriegelte sie, schloss auf und nahm dann eine zweite Flasche aus dem Karton.
    Es war, als hätte der Karton hier auf sie gewartet.
    Sie sah aus dem Fenster, um Lucys adlernasigem Geist die Gelegenheit zu geben, sich mit wütend in die Seiten gestemmten Armen zu manifestieren.
Stell das sofort zurück, du unverschämtes Früchtchen!
    Aber nichts geschah. Der Engelswein lag schwer in Janes Armen. Sie ging mit den Flaschen durch die Hintertür aus dem Hausund stieg über den Gartenzaun auf den Weg, der an dem Bowlingfeld entlangführte.
    Das war vorherbestimmt.
     
    Sie heuchlerische Person. Ihre Scheinheiligkeit übersteigt jede Vorstellung. Sie haben mir ins Gesicht gelogen.
    Der Anrufbeantworter zeichnete die Nachricht gerade auf, als Merrily hereinkam. Die Stimme klang leicht verzerrt.
    Mir einfach ins Gesicht gelogen, Mrs.   Watkins.
    «Auch Ihnen einen recht schönen Nachmittag, James.» Merrily warf ihre Tasche auf die Kommode in der Eingangshalle. Wenn es so richtig zu Sache ging, konnte man Gott wirklich für die Erfindung des Anrufbeantworters danken. Sie sah Lol an der Küchentür stehen und lächelte schwach. «Ich werde hier noch richtig berühmt.»
    Inzwischen ist mir klar, dass Sie von Anfang an mit subversiven Elementen zusammengearbeitet haben, um den Frieden in meinem Dorf zu stören. Ich bin Soldat. Das werde ich nicht hinnehmen.
    Lol sagte: «Ist der echt?»
    Nach meinen Informationen haben Sie es diesem Kretin gestattet, sein widerliches Geschreibsel heute Abend in der Kirche aufzuführen. Ich geben Ihnen eine letzte Gelegenheit, die Sache abzublasen. Das können Sie als Ultimatum betrachten.
    «Meine Güte», sagte Merrily, «das muss er sich vorher aufgeschrieben haben.»
    Das rote Licht des Anrufbeantworters blinkte und pulsierte wie eine Ader an Bull-Davies’ Stirn.
    Wenn ich bis vier Uhr nichts von Ihnen gehört habe, werde ich persönlich dafür sorgen, dass diese homosexuelle Farce gestoppt wird. Außerdem werde ich dafür sorgen, dass Sie nie wieder die Gelegenheit bekommen, die Kirche von England als Vehikel

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