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Frucht der Sünde

Frucht der Sünde

Titel: Frucht der Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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für Diffamierungen und andere niederträchtige Vorhaben zu missbrauchen. Wenn Sie typisch
sind für weibliche Pfarrer, dann werde ich bei Gott alles daransetzen, dass wir nach Ihnen in diesem Dorf niemals mehr eine Pfarrerin haben werden. Guten Tag!
     
    Lol sagte: «Und Sie dachten, Alison spielt mit dem Feuer.»
    «Manchmal», sagte Merrily, «tut man Dinge, ohne recht zu wissen, warum.»
    «Sie wissen nicht, warum Sie das tun?»
    «Ich weiß, wie es angefangen hat.» Sie lehnte sich an die Kommode. Hinter ihr blinkte der Anrufbeantworter weiter. «Es hat damit angefangen, dass ich mich von anonymen Briefen und versteckten Drohungen und der Tatsache unter Druck gesetzt fühlte, dass manche Leute die Medien eingeschaltet haben, um ihren Willen durchzusetzen.»
    Sie seufzte und fischte in ihrer Tasche nach den Zigaretten.
    «Und als ich dann bei Coffey war, ist mir plötzlich diese Idee gekommen, und ich habe den Vorschlag gemacht, ohne weiter darüber nachzudenken, einfach so. Es war, als würde jemand anderes durch mich sprechen. Ich weiß auch nicht, vielleicht hatte meine selbstzerstörerische Ader die Oberhand gewonnen.»
    «Es kann genauso gut sein», sagte er, «dass sie sich hinterher alle fragen, warum sie so einen Wirbel veranstaltet haben.»
    Kopfschüttelnd sah sie ihn über das Feuerzeug hinweg an. «Das glauben Sie doch selbst nicht.»
    Er wusste nicht, was er darauf sagen sollte.
    «Vielleicht habe ich auch gedacht, Coffey würde Stefan bremsen und die ganze Sache käme nicht zustande. Dann wäre ich fein raus gewesen, weil ich ihnen eine Chance gegeben hätte. Aber natürlich hat sich Stefan nicht umstimmen lassen. Und dann habe ich heute Morgen mit Gomer Parry darüber gesprochen, und jetzt kommen auch noch Leute mit historischen Kostümen. Die Sache hat eine Eigendynamik entwickelt. Als ob es vorherbestimmt gewesenwäre. Schicksal. Vorsehung. Und ich bin wie eine Marionette, die irgendwer tanzen lässt. Nur, dass das natürlich nicht stimmt. Ich könnte es immer noch verhindern.»
    Lol streckte seine Hand aus, und Merrily nahm sie.
    «Was soll ich machen?», fragte sie. «Objektiv betrachtet.»
    Er hatte keine Ahnung, was er sagen sollte. Wie sollte er auch objektiv sein, wenn er gerade dabei war, sich in sie zu verlieben?
    «Ist es
richtig
?», fragte Merrily. «Das ist doch die einzige Frage, die übrig bleibt, wenn man genau darüber nachdenkt.»

Teil vier
    Ein Schleier vor das Auge zieht,
    das ganz in der Mitte liegt,
    und bis am End’ Erkenntnis steht,
    weiß niemand, wohin führt der Weg.
     
    Thomas Traherne,
    Darlegung

44   Pink Moon
    Stefan Alder wartete kurz vor acht Uhr am Friedhofstor auf sie. Merrily hatte einen Gentleman aus der Epoche der Stuarts erwartete, doch Stefan trug dieselbe Kleidung wie am Morgen. Auf dem Ärmel seines weißen Hemdes war ein grünlicher Grasfleck, und ein tiefer blutiger Kratzer lief über seinen rechten Handrücken.
    «Ich will kein geziertes Kostümstück. Und auch keine Pantomime. Das werden sie doch verstehen, oder?»
    «Das ist völlig in Ordnung», sagte Merrily. «Niemand möchte so etwas, Stefan.»
    «Tut mir leid.» Er lächelte gezwungen. «Lampenfieber.»
    «Haben Sie etwas gegessen?»
    «Einen Apfel.»
    Wie symbolisch, aber genug war das nicht. Stefan wirkte einsam und zerbrechlich. Merrily vermutete, dass er und Coffey sich am Nachmittag gestritten hatten. Sie stellte sich Coffeys hässliches, verlebtes Gesicht vor, während er Stefan wütend anschrie. Vermutlich wurde er von Eifersucht zerfressen, weil sich sein wunderschöner Stefan in einen Geist verliebt hatte.
    Die Sonne stand schon tief hinter der Kirche. Im abnehmenden Licht waren die Sandsteinmauern nicht mehr rot, sondern braun, und bald würden sie vollkommen schwarz erscheinen.
    Merrily trug einen langen dunklen Rock und einen schwarzen Kaschmirpullover – ein weiteres Relikt aus Seans krimineller Phase.
    «Stefan», sagte sie, «was bedeutet diese Sache für Sie?»
    Die Frage schien ihn zu erschrecken. «Erlösung. Wiedergutmachung», gab er nach einem Moment zurück. «Wollen wir das nicht alle?»
    «Das mag sein. Aber für wen?»
    Er antwortete nicht. Stattdessen blickte er zum Marktplatz hinüber. «Von wo werden sie kommen? Wohin sollen wir uns stellen?»
    Sie führte ihn zu einem Baum. Ein Apfelbaum, wie es der Zufall wollte, der im tiefen abendlichen Schatten der Kirche stand. Stefan war ein einziges Nervenbündel. Dieser verdammte Coffey, er hätte ihn unterstützen

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