Frucht der Sünde
eine erübrigen können.»
Gomer zog eine dünne Selbstgerollte aus der Tasche und gab Merrily Feuer.
«Wenn Sie im verdammten Ruhestand sin, dann hängen Sie ständig rum und brüten über alle möglichen Sachn nach un über die ganzen Leute, für die man mal gearbeitet hat oder mit den man öfter was getrunken hat, un dann vermischn die sich im Kopf wie inner Zementmaschine, un dabei kommn Sachn un Fragn raus, wo man sich bloß wundern kann, und man denkt, verdammmich,was solln das bedeuten? Zum Beispiel: Warum hat sich der olle Edgar
versehentlich
erschossen? Oder: Warum isses nicht der richtige Cider?»
«Ich verstehe nicht ganz, was Sie meinen.»
«Ich erzähl’s Ihnen, Frau Pfarrer, wenn Sie Zeit ham. Macht mich ganz krank, was mir alles im Kopf rumgeht. Ich versteh’s nämlich selber nich un finde, das solltn wir aber langsam.»
«Legen Sie los.»
«Also, fangen wir mal mit dem Cider-Haus an. Gehört jetzt den Powells, verstehn Sie? Erst den Bulls, jetzt den Powells. Hams von den Bulls bekommen, damals, als sie Grund verkauft ham. Is schon interessant, wenn man sich ma überlegt, wie viel Bull-Land inzwischn Powell-Land geworn is. Muss wenigstens …»
Gomer unterbrach sich. Merrily folgte seinem Blick zum Friedhofstor, durch das Autoscheinwerfer zu sehen waren.
«Ham Sie die Autos da bemerkt, Frau Pfarrer, die vorm Friedhof auf ’m Platz stehn?»
«Es sind ziemlich viele. Wissen Sie, wer das ist?»
«Der belämmerte Andy Mumford sitzt in einem, un in dem Wagen danebn hab ich ’n paar Jungs gesehn, die vorher hier in Uniform rumgeschlichn sind. Solln wir ma eben?»
Gomer ging in Richtung des Friedhofstores, und Merrily folgte ihm.
«Die ham irgendwas vor. Sonst würden die nich so ’n Aufwand treibn. Außerdem hockt diese Polizistin inner Kirche. Die suchen jemand. Wo issn Ihr Freund Mr. Robinson heut Abend?»
Als sie näher kamen, wurden die Scheinwerfer des Autos angeschaltet, das direkt links vom Friedhofstor parkte, und es wurde aus der Parklücke gefahren, um einem anderen Wagen Platz zu machen. Dabei handelte es sich um einen leicht ramponierten blauen Landrover.
Gomer nahm Merrily am Ellbogen und zog sie zwischen dieBäume am Friedhofseingang. Bull-Davies stieg aus dem Landrover und überquerte auf dem Weg in die Kirche den Friedhof.
Gomer sah Merrily an.
«Geht mich ja vielleicht nix an, aber ham die das mit Ihnen besprochn? Die Polizei, mein ich? Dass sie Ihre Kirche umstellen un was weiß ich noch alles?»
«Nein», sagte sie. «Das haben sie verflixt nochmal nicht.»
«Sie sollten lieber wieder reingehn. Gibt’s vielleicht irgendwas, was ich tun kann, Frau Pfarrer?»
«Ich glaube schon.»
Als Bull-Davies hineinging, versteckte sich Jane hinter dem Apfelbaum, der in der Nähe der Kirchentür stand. Zwei Ermittlungsbeamte folgten ihm.
Der ewige Bull. Vielleicht würde es ja doch noch interessant werden. Bloß schade, dass sie es nicht mitbekommen würde. Sie wartete, bis auch Mom zurückgekommen war, und glitt dann lautlos in die Dunkelheit.
46 Ein fauliger Geschmack
«Der Apfelgarten hat mir gehört», sagte Stefan Alder.
Das Scheinwerferlicht umhüllte ihn, als fiele durch ein hohes Fenster ein Bündel Sonnenstrahlen. Er hatte sich auf die Kanzelstufen gekniet und sein Gesicht dem Lettner zugewandt, in den Hunderte von Äpfeln geschnitzt waren.
«Es stimmt, er gehörte der Kirche, die ganzen vierzig Morgen, aber mir gehörte er auch. Dort habe ich meinen Frieden gefunden. Und meinen Gott. Gott war immer in diesem Apfelgarten.»
Er wandte sich voll dem Licht zu, die Arme ausgestreckt und in jeder Hand einen halben Apfel. Sogar von hinten sah Merrily, wie verschwitzt sein Gesicht war und dass in seinen Augen Verzweiflung stand.
Es würde nicht klappen. Er hatte es zu sehr in die Länge gezogen. Ohne Coffeys Regie fehlte der szenische Zusammenhalt, und darüber hinaus überlud Stefan die Darstellung mit Emotion. Die Leute wurden langsam unruhig, scharrten mit den Füßen und hüstelten.
Nur auf Dermot Childs fettem Gesicht lag ein zufriedenes Lächeln. Von Zeit zu Zeit warf er einen Blick auf die Polizisten.
Er hatte ihnen bestimmt gesagt, dass Lol in der Kirche sein würde. Wo sonst sollte sie ihn verstecken? Schließlich konnte er nichts davon ahnen, dass Lucy sie zu ihrer Testamentsvollstreckerin bestimmt hatte. Andererseits konnte man in so einem kleinen Dorf nie wissen.
«Und Gott wohnte sogar in jedem einzelnen Apfel.» Stefan hielt die Hälften
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