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Frucht der Sünde

Frucht der Sünde

Titel: Frucht der Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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Schatten und halb im Licht. Dann begann er zu erzählen, so wie man Freunden von seinem Leben erzählt. Von der reichen, frommen Dame, die ihn unter seine Fittiche genommen hatte, weil sie glaubte, ihn ihm eine so lautere, kluge und strebsame Seele gefunden zu haben, dass sie ihn fördern wollte.
    Er hatte die volle Aufmerksamkeit seines Publikums. Doch er prahlte zu sehr, und das würde ihn Sympathien kosten. Die Leute aus Herefordshire waren von einem anderen Schlag, ruhig und zurückhaltend.
    Merrily blickte sich um. Es wirkte tatsächlich, als seien sie um mehrere Jahrhunderte zurückversetzt, doch Stefan wirkte wie ein   … Schauspieler. Sie verließ ihre Bank und stellte sich neben den schweren Vorhang, der vor dem Eingang zur Sakristei hing. Inzwischen erzählte Stefan weiter. Wie Wil Williams Traherne kennengelernt hatte und wie es Traherne mit der finanziellen Unterstützung Susannah Hoptons gelungen war, ihm einen Studienplatz in seinem alten College in Oxford zu verschaffen.
    Mit einem Mal spürte Merrily einen immer stärker werdenden Druck auf ihrer Brust, und schließlich musste sie sich an die Wand lehnen und mehrmals tief durchatmen. Der Druck ließ etwas nach. Stefan sprach davon, dass er und Traherne wie die zwei Hälften eines Apfels gewesen seien. Traherne als Poet und Mystiker und Wil als Visionär und hochsensibles Medium. Wenn Wil in den Hügeln spazieren gegangen war, hatte er mit den Geistern gesprochen wie der heilige Franziskus mit den Vögeln.
    Wohin sollte das führen? Wollte Stefan Traherne gegen Wil Williams ausspielen? Erneut legte sich der Druck auf Merrilys Brust, und dieses Mal half tiefes Atmen nicht. Sie klammerte sich an den Vorhang. Als sie aufkeuchte, drehten sich ein paar Köpfe nach ihr um. Oh nein, nicht noch einmal. Merrily ging hinaus.
     
    «Mom?»
    Jane stand an der Kirchentür und sah sie ängstlich an.
    Merrily sog die Abendluft ein. Die Grabsteine um sie herum wurden von dem rosa Mond rötlich gelb gefärbt.
    «Dir ist doch nicht schlecht, oder?»
    «Tut mir leid, Schatz. Liegt wahrscheinlich an dem ganzen Kerzenqualm. Geh wieder rein. Sonst denkt Stefan, es gefällt uns nicht.»
    «Es gefällt mir ja auch nicht. Dir?»
    «Das sage ich dir nachher. Geh einfach wieder rein, Jane, in Ordnung? Du musst dir keine Sorgen machen. Ich rauche nur noch eine Zigarette.»
    «Meine Güte», sagte Jane. «Du kommst keine Stunde ohne aus, was?» Sie warf ihrer Mutter einen höchst missbilligenden Blick zu und verschwand wieder in der Kirche.
    Merrily legte ihre Arme auf einen hohen Grabstein. Da entdeckte sie hinter einem anderen Grabstein einen glühend roten Fleck.
    «Tut mir leid, Frau Pfarrer, hab mich versteckt. Dachte, meine Minnie kommt raus.»
    Seine Zigarette bildete zusammen mit der Spiegelung des Mondes in seinen Brillengläsern ein rotleuchtendes Dreieck.
    «Hallo, Gomer.»
    «Hab da drin nich mehr mitgekriegt, wie die Zeit vergeht. Minnie wollt nich, dass ich meine Digitaluhr anzieh, die piept nämlich jede Stunde. Hat mich gefragt, wie sich das wohl im siebzehnten Jahrhundert anhörn würd. Musst mich sogar hinten hinsetzen, weil ich kein orntliches Kostüm hatte.»
    «Aber Sie sind gekommen. Das freut mich sehr.» Hier draußen hatte der Druck auf ihrer Brust abgenommen, sie spürte nur noch ein dumpfes Pochen.
    Gomer zog an seiner Zigarette. «Funktioniert nich, was?»
    «Was denn?»
    «Hab gedacht, er kommt auf ’n Punkt, als er vom Cider gesprochn hat, der Junge, aber dann isser wieder auf was anderes gekommen, verstehn Sie?»
    «Wie meinen Sie das?»
    «Das Cider-Haus. Hat mich zum Nachdenken gebracht, also bin ich raus, damit ich in Ruhe weiterdenken kann. Denk ziemlich viel dieser Tage. Kommt davon, wenn man zu viel Zeit hat.»
    «Das Cider-Haus?»
    «Wo die Bulls ihre Frauen hinbringen. Nich ihre
Ehefrauen
, is ja klar, verstehn Sie. Ihre Frauen halt. Oder was für sie alt genug war, um als Frau zu gelten.»
    «Ihre Mätressen?»
    «Nich mal ihre Mätressen, Frau Pfarrer. Bloß die, mit denen sie sich fit gehaltn ham, könnte man sagen. Die für die Bulls bloß ein Scheißdreck warn, ’tschuldigen Sie meine Sprache.»
    «Also gab es außer dieser Janet noch andere?»
    «Das will ich meinen, Frau Pfarrer. War billiger als Fuchsjagd, und Hunde musste man auch keine füttern.» Gomer schüttelte trübselig den Kopf. «Sie sehen aus, als könnten Sie ’ne Kippe vertragn. Hättn paar hier, schon gerollt.»
    «Danke, aber   … ach verdammt   … wenn Sie

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