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Frucht der Sünde

Frucht der Sünde

Titel: Frucht der Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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Merrily, die dahinter saß, es hören konnte. «Diese Geschichte muss erzählt werden.»
    Es war inzwischen noch dämmriger in der Kirche geworden. Stefans weißes Hemd schien fast das gesamte Licht einzufangen, und er bewegte sich unablässig, sodass er wirkte wie ein ruheloser Geist.
    «Haben Schläge solche Auswirkungen, Bessie? Ich bin sicher, sie war zu Hause auch schon geschlagen worden.»
    «Ja.» Teresa Roberts war ein sprechender Schatten. «Wir wurden alle geschlagen damals, das war normal.»
    «Wie lange hat sie noch nachts geweint?»
    «Sie haben gesagt, dass sie nie wieder ruhig geworden ist und dass sie nie mehr einem Mann ins Gesicht sehen konnte, bis   …»
    «Wohin hat Bull sie gebracht, Bessie? Es soll ausgesprochen werden, an diesem heiligen Ort, denn es verfolgt deine Familie immer noch.»
    «Das Cider-Haus! Er hat sie in das alte Cider-Haus gebracht. Und die Leute haben sich erzählt, dass sie alle ihre Frauen dorthin bringen, weil die Luft da drinnen so sehr nach Cider riecht, dassman allein davon schon betrunken werden konnte. Betrunken und   … lüstern.»
    Merrily erstarrte.
    «Das Cider-Haus», sagte Stefan voller Genugtuung. «Das alte Cider-Haus der Bulls. Gott segne dich für deinen Mut, Bessie! Gott erbarme sich Bulls! Und Gott segne das Kind, das in der Nacht weint.»
    «Nein!» Teresa Roberts’ Stimme überschlug sich fast. «Sie weint nicht mehr, Hochwürden. Weint nicht mehr   …»
    «Wie alt war sie?» Stefan sprach leise, doch seine klangvolle Stimme erfüllte die Kirche, er genoss es, dass sich diese Phase seiner Aufführung genau so entwickelte, wie er es sich gewünscht hatte. «Wie alt war sie an dem Tag, an dem sie sich in der Scheune erhängte?»
    «Sechzehn», flüsterte Teresa. «Sie ist an dem Tag sechzehn Jahre alt geworden.»
    Auf diese Worte folgte eine lange, klingende Stille. Merrily bemerkte, dass Gomer Parry verstohlen seine Bank verließ. Dann beugte sich Stefan zu ihr. «Das Licht, bitte, Merrily. Der Scheinwerfer. In fünf Minuten?»
     
    Er war so durcheinander, dass er kaum einen klaren Gedanken fassen konnte. Er lief in Lucys Wohnzimmer auf und ab, zog Bücher aus den Regalen und stellte sie wieder hinein. Dann zwang er sich dazu, sich ruhig hinzusetzen.
    Traherne. Fang mit Traherne an. Wie hat Traherne Williams kennengelernt? Hilf mir, Lucy, ich hab’s vergessen. Er dachte an den Tag, an dem ihm Lucy zum ersten Mal von Traherne erzählt hatte, der über Wil Williams mit Ledwardine in Verbindung stand und   …
    Hopton.
    Susannah Hopton. Die Gönnerin.
    Lol musste fast zwanzig Minuten in Mrs.   Leathers Buch blättern, bis er die Geschichte von Susannah Hopton fand. Sie war die Frau eines Richters und fromme Anglikanerin und hatte eine Art Schülerkreis um sich geschart. Sie war sehr von Geistlichen eingenommen, und ihr bekanntester Protegé war Thomas Traherne. Und Wil Williams, hatte Lucy gesagt, hatte praktisch zu ihrem Haushalt gehört.
     
    «Ich wurde», sagte Stefan, «auf einem grauen, windgepeitschten Bauernhof in den Hügeln von Glascwm in Radnorshire geboren.»
    Er blickte auf seine Hände, als sähe er die schmutzigen Fingernägel seiner Kindertage.
    «Mein Vater besaß siebzig Morgen steinigen, morastigen und lehmigen Bodens. Mein Vater glaubte an wenig, erhoffte sich nichts, und so etwas wie Nächstenliebe war ihm fremd.»
    Stefan ging in der Kirche umher. Überall zündete er Kerzen an. Die Gesichter wurden von dem Widerschein dieses kleinen, ovalen, zeitlosen Lichts beleuchtet, das die Jahrhunderte versinken ließ, sodass man das Gefühl haben konnte, nichts habe sich verändert – die wettergegerbten Gesichter nicht und die Kirche mit ihren festen, zuverlässigen Mauern schon gar nicht. Merrily sah zu Councillor Powell hinüber, der mit erstarrter Miene in der Bank saß. Er würde nicht mit der Wimper zucken, ganz gleich, was Stefan noch zu sagen hatte. Nicht weit von ihm Dermot Child. Er hatte es den ganzen Abend vermieden, sie anzusehen. Dann stellte Merrily fest, dass auch Alison Kinnersley da war. Sie hatte sich auf die Männerseite gesetzt. Am anderen Ende der Bank saß Annie Howe.
    Merrily gab Jane ein Zeichen. Sie hätte den Scheinwerfer auch problemlos selbst anschalten können, doch so hatte sie Jane sicher in ihrer Nähe.
    Als der Scheinwerfer angeschaltet war, flutete ein gelber Lichttunneldurch die Kirche, in dem winzige Staubpartikel tanzten. Er endete an der Kanzel. Stefan saß auf der zweiten Kanzelstufe, halb im

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