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Frucht der Sünde

Frucht der Sünde

Titel: Frucht der Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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deren Rand streckenweise ein überwucherter Graben von etwa einem Meter Tiefe entlanglief.
    «Das Gestrüpp loszuwerden, is kein Problem, Frau Pfarrer. An ihrer Stelle würd ich den Graben in dieser Richtung aber lieber nich erweitern. Könnt sein, dass sich ein paar von den alten Gräbern im Lauf der Jahrhunderte verschoben haben, und wenn Sie anfangen, an der Böschung zu graben, weiß man nie, was Ihnen entgegenkommt, wenn Sie verstehen, was ich meine.»
    «Oh.» Merrily stellte sich vor, wie ein paar alte Knochen in Gomer Parrys Baggerschaufel klapperten.
    «Und was die andere Seite angeht   … Tja, wer weiß, Frau Pfarrer, wer weiß?»
    «Wer weiß was?»
    Sie raffte ihre Soutane und beugte sich vor, um in den Graben zu spähen. Ein schwerer, feuchter Geruch stieg zu ihr auf. Sie sahauf die andere Seite des Grabens hinüber; der nächste Apfelbaum stand gute zwanzig Meter entfernt. Weiter hinten in dem Obstgarten glaubte sie die verkrümmten Äste des Apfelbaum-Mannes zu erkennen. Ein Schauder lief ihr über den Rücken.
    Gomer war ihrem Blick gefolgt.
    «Das machen die nich nochmal, Frau Pfarrer.»
    «Ein Wassailing? Nein, das glaube ich auch nicht.»
    «Eins ist trotzdem komisch   … Sollten mal die ganzen Knospen sehen, die da jetzt dran sind.»
    «An dem   …»
    Merrily sah Gomer an. Mit dieser lächerlich kleinen Brille und der oft unangezündeten Zigarette, die wie ein Babyschnuller zwischen seinen Lippen hing, war es schwer, ihn ernst zu nehmen.
    «In ein oder zwei Wochen ist er voller Blüten, der alte Krüppel. Hätt geschworen, der ist hinüber. Bringt einen zum Nachdenken, was?»
    Plötzlich fror Merrily.
    «Ich glaube, ich denke lieber
nicht
darüber nach. Was haben Sie eben gemeint, mit
Wer weiß
? Als Sie von der anderen Seite des Grabens gesprochen haben.»
    «Ah. Na ja. Sie müssen sich mal fragen, warum es den alten Obstgarten überhaupt noch gibt, verstehn Sie? Rod Powell is kein Typ, der wertloses Gelände behält, wenn’s dafür keinen Grund gibt. Und Cider-Äpfel sind für nix gut, außer eben für Cider, ganz besonders die kümmerlichen Dinger hier. Die anderen Bauern züchten Rinder oder machen ihr Geld mit» – Gomers Stimme wurde zu einem Knurren – «Legebatterien.»
    Merrily, die Legebatterien ebenfalls nicht mochte, schwieg.
    «Also, da muss man sich doch fragen, warum er den ollen Obsthain behalten hat, oder nich?»
    «Sentimentalität?»
    «Aberglaube.» Gomer tippte sich an die Nase. «Hier auf ’m Land sind fast alle abergläubisch. Die Powells ham am anderen Ende ein paar neue Bäume gesetzt, damit die Cassidys zufrieden sind, aber an dieser Seite hat Edgar nie was machen wolln, nich mal Unkraut rausholen, weil er nämlich weiß, genau wie seine restliche Sippschaft, dass hier   …»
    Gomer hielt inne und nahm seine Kappe ab. Störrisches weißes Haar richtete sich auf.
    «…   der Erste Ungeweihte Boden is.»
    Merrily war nicht ganz sicher, ob sie ihn richtig verstanden hatte.
    «Sie graben auf Ihrer Seite womöglich mal ordentlich bestattete Knochen aus, das is eine Sache. Aber mit den Knochen auf der
andern
Seite vom Graben   … Verstehn Sie mich nich falsch, Frau Pfarrer, ich sag nich, dass ich an den Quatsch glaub, ich sag nur, mit welcher Art von Aberglauben Sie es hier zu tun bekommen   … Jedenfalls, die Knochen auf der andern Seite, die will auf keinen Fall jemand ausgraben, Sie verstehn schon.»
     
    Hinter einem Vorhang an der Rückwand des Ladens führte eine eiserne Wendeltreppe in tiefste Dunkelheit hinauf. Vielleicht lag dort ein fensterloser Speicher. Jane steckte ihren Kopf durch den Vorhangspalt.
    « O.   k. , Lol. Er ist weg.»
    «Sicher?»
    Seine Stimme klang hohl und – wie Jane verblüfft registrierte – richtig
verängstigt
. Sie musste an das leise Knirschen denken, das sie gehört hatte, als der Mann gegangen war.
    «Jane?»
    «Ja, ich bin sicher. Ich habe ihm zwei Minuten Zeit gegeben, und dann bin ich raus. Er hat mit Colette Cassidy geredet und ist anschließend mit seinem schicken gelben Sportwagen weggefahren. Toyota.»
    «Hat er dich auch nicht gesehen?»
    «Auf keinen Fall.»
    Lols Gesicht erschien oben an der Treppe. Er sah misstrauisch zu ihr herunter. Er schien wirklich richtig Angst zu haben.
    «Kennst du die Tochter der Cassidys?»
    «Nur vom Sehen.»
    Er kam herunter. «Das heißt, du bist von hier?»
    «Seit kurzem», sagte Jane. «Als Strafe für meine Sünden.»
    Sie war immer noch aufgeregt. Das war vermutlich der

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