Frucht der Sünde
vor
.»
Merrily schob ihre Sachen zusammen, die Bibel, das Gesangbuch, die Notizblätter und ihren Filzstift.
«Und ich versichere Ihnen», sagte sie knapp, «dass Sie Ihre Antwort bekommen werden.»
Nach dem Gottesdienst erwähnte auf dem Vorplatz der Kirche niemand die Predigt. Doch beim Händeschütteln an der Kirchentür wurde sie von einigen derjenigen angesprochen, die wissen mussten, welchen Hintergrund ihre Predigt gehabt hatte.
Councillor Powell murmelte: «Haben Sie meine Nachricht bekommen, Frau Pfarrer?»
James Bull-Davies sagte nach mehrfachem Räuspern: «Ich muss mit Ihnen reden, Mrs. Watkins. Allerdings weiß man nie, wo Sie zu finden sind.»
Caroline Cassidy, in einem dunklen Kostüm mit Perlenkette, nahm Merrilys Hände in ihre und sah sie mitfühlend an. «Was gestern passiert ist, tut mir
so
leid. Mädchen in diesem Alter … Wir müssen unbedingt bald darüber reden, als Eltern.»
Merrily vertröstete sie alle. Sie wollte nur mit Miss Devenish sprechen, die klugerweise als Letzte aus der Kirche kam. Sie trug einen breitkrempigen Strohhut und einen Sommerponcho mit aztekischem Zickzackmuster.
«Was haben Sie heute Nachmittag vor?», fragte Merrily leise.
«Wir könnten zusammen spazieren gehen, was meinen Sie, Mrs. Watkins?»
«Gern, wenn Sie möchten.»
«An den beiden Trittsteinen beim Friedhof? Nicht auf der Seite des Apfelgartens, auf der anderen. Um drei Uhr?»
«Gut», sagte Merrily. Dann hätte sie noch ein paar Stunden für dieses lange, bedeutungsschwere Mutter-Tochter-Gespräch.
«Ach, und bringen Sie Ihre Tochter nicht mit, ja?», sagte Miss Devenish.
Jane sah auf.
«Ich war nur unheimlich erledigt.»
«Das verdienst du auch. Und die Kopfschmerzen. Und dass dir schlecht war.»
Abrupt stand Merrily von der Bettkante auf und starrte wütend auf den sonnenbeschienenen Marktplatz.
«Hab ich was von Kopfschmerzen gesagt oder dass mir schlecht war?»
«Du hast dich gestern übergeben, das konnte man riechen.»
«Das ist unfair.»
«Jane», sagte Merrily, «tu mir den Gefallen und versuch jetzt
nicht
, mir irgendeinen Blödsinn zu erzählen.»
So hatte sie es nicht haben wollen. Als sie vormittags vom Gottesdienst zurückgekommen war, hatte Merrily absichtlich zuerst Soutane und Priesterkragen abgelegt und Jeans angezogen. Das Gespräch sollte auf Augenhöhe verlaufen. Mutter und Tochter, eigentlich sogar Freundinnen. Sie wollte sich ruhig und offen mit Jane über ein paar wichtige Themen unterhalten.
Zum Beispiel über Cider. Ja, es stimmte, er war ziemlich billig und schmeckte gut, hatte aber gewöhnlich mehr als sieben Prozent Alkoholgehalt, also doppelt so viel wie Bier. Fazit: Von Cider bist du schon betrunken, bevor du es überhaupt merkst.
Und zum Beispiel über Colette Cassidy. Ein kapriziöses, verwöhntes Mädchen mit einem schwachen Vater und einer neurotischen Mutter. Gab sich höchst erfahren und schminkte sich offenbar schon, seit sie zehn war. Allerdings hatte Ted einen Freund, der an der Hereford Cathedral School unterrichtete, und ihm zufolge war Colettes Weltgewandtheit von keiner auffallend überragenden Intelligenz begleitet. Fazit: Denk mal drüber nach, ob du dir Colette Cassidy zum Vorbild nehmen solltest. Benutz lieber deinen eigenen Verstand.
Und betrink dich nicht noch einmal.
Sie ließ Jane den Vormittag über schlafen und erwartete, dass sie grässlich stöhnen würde, weil sie einen Kater hatte.
Aber wo war der verdammte Kater? Jane
sollte
sich den gesamten Sonntag über total schlecht fühlen. Nur so lernte man es: Man betrinktsich, geht am nächsten Tag durch die Hölle, und dann folgte die Einsicht. Das war ein seit Generationen bewährtes Muster!
Sie war unheimlich erleichtert gewesen, als sie erfahren hatte, was passiert war. Miss Devenish, ein langhaariger Typ, den sie noch nie gesehen hatte, und Colette Cassidy, die nur auf den Boden starrte, hatten Jane zurückgebracht. Wenn Merrily daran dachte, wie es ihr nach ihrem ersten Abend mit Alkohol gegangen war … und Alkohol war damals nicht das Einzige gewesen, nur mit viel Glück hatte sie die Jungs abwehren können, die zu der Clique gehört hatten …
Sie wandte sich wieder an Jane. «Wie wär’s mit was zu essen?»
«Ich habe keinen Hunger», gab Jane mit leiser Stimme zurück.
Kein Wunder. Andererseits, schlecht schien es Jane nicht zu gehen. Sie lag wohlig entspannt in ihrem Bett.
«Einen Tee?»
«Nein danke. Ich mache mir später
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