Frucht der Sünde
ihm immer noch ein.»
«Der ist
weg
vom Fenster, Alter. Ich sag’s dir.» Er trat leicht gegen einen zerbrochenen Blumentopf. «Genießen wir hier eigentlich nur die gesunde Landluft, oder stellst du mich gelegentlich auch mal der Dame des Hauses vor?»
«Es gibt keine Dame des Hauses», sagte Lol.
Karl setzte ein zweifelndes Grinsen auf. Früher hatte er sich gern die Zeit damit vertrieben, seinen Freunden und Bekannten die Frauen auszuspannen. Er hatte immer nur einmal mit ihnen geschlafen und sie dann zurückgeschickt. Die Freunde und Bekannten waren darüber mehr oder weniger sauer gewesen, aber auf die Nachricht von einem Mordversuch hatte Lol vergeblich gewartet.
«Du verkohlst mich, Alter. Du warst doch immer so beliebt bei den Frauen. Ein hilfloser Blick von dir, und sofort brechen dieMutterinstinkte aus. Kannst dir nicht vorstellen, wie neidisch wir darauf waren.»
«Das war früher», sagte Lol.
«Also hat sich Dennis geirrt.»
«Es gab jemanden», sagte Lol, «aber sie ist gegangen.»
«Ah», sagte Karl, «also wohnst du allein.»
Lol trat einen Schritt zurück, um Karl ins Haus zu lassen. Es war, als würde er seine Ärmel hochschieben, damit man ihm die Handschellen bequemer anlegen konnte.
«Ich will mich mit überhaupt niemandem streiten.» Merrily kaute an einem Grashalm. «Ich kenne das Dorf noch nicht besonders gut, aber ich habe den Eindruck, mich auf einem Minenfeld zu bewegen.»
«Aaah», sagte Miss Devenish. «Mich deucht, Hochwürden Wil Williams hat sein schönes Haupt erhoben.»
«Von ‹schön› kann man im Zusammenhang mit dieser Geschichte wohl kaum sprechen. Wer hat Ihnen davon erzählt?»
«Jeder, der in der Nähe von Cassidys Restaurant wohnt, konnte heute Morgen mitbekommen, wie sich Terence in seine magere Hühnerbrust geworfen und vom Komitee erzählt hat. Ich rate Ihnen, meine Liebe, sich nicht den Kopf darüber zu zerbrechen, das ist es nicht wert.»
«Aber es ist mein Job, mir den Kopf zu zerbrechen.» Merrily griff nach ihrer Handtasche. «Haben Sie etwas dagegen, wenn ich rauche?»
«Tun Sie, was immer Sie möchten.»
«Danke.»
«Sie wollen sich also den Kopf zerbrechen.» Miss Devenish musterte Merrily halb belustigt. «Ich frage mich, wie Ihr Vorgänger in dieser Situation reagiert hätte.»
«Alf Hayden?»
«Dieser schreckliche Hayden hat sich angesichts einer moralischen Herausforderung immer nur hinter diesem Affentheater aus unsinnigen Phrasen verschanzt, das unter anglikanischen Klerikern seit fünfzig Jahren Hochkonjunktur hat.»
Merrily lachte. «Sie sind eine Zynikerin, Miss Devenish.»
«Und deshalb wird die Berufung von Frauen ins Priesteramt vielleicht tatsächlich zur Rettung der Kirche werden. Frauen hören zu. Frauen machen sich Gedanken. Wenn Sie meinen Rat hören wollen, dann lassen Sie es zu. Lassen Sie diesen furchtbaren Coffey sein Stück aufführen.»
Lucy Devenishs Gesicht lag im Schatten der Hutkrempe, und Merrily konnte ihren Augenausdruck nicht erkennen. Ihre Hände lagen ruhig auf dem Poncho, unter dem ein Schlabberrock mit Sonnenblumenmuster hervorschaute.
Doch Merrily war auf der Hut. «Warum sagen Sie das? Ich meine, Cassidy würde es natürlich sehr freuen, Sie das sagen zu hören …»
«Ach, du meine Güte, Cassidy sitzt doch vollkommen in der Zwickmühle. Er braucht Coffey für das künstlerische Niveau des Festivals, aber Bull-Davies braucht er auch … Zwar kann er heutzutage kein Geld für solche Veranstaltungen beisteuern, aber er muss das Gelände für die Veranstaltungszelte und die Parkplätze zur Verfügung stellen. Außerdem, und das ist noch wichtiger, ist Bull-Davies hier das Sprachrohr der Grafschaftsverwaltung, und die Kerle halten immer noch zusammen, wenn sie etwas verhindern wollen.»
«Also halten Sie die Aussage des Stücks für nicht besonders stichhaltig?»
«Wie?» Lucy Devenish schob den Hut zurück und blitzte Merrily aus kobaltblauen Augen an. «Stichhaltig? Das Ganze ist kompletter Schwachsinn.»
«Das verstehe ich nicht.»
«Er soll unter den Apfelbäumen mit nackten Jünglingen getanzt haben? Dummes Zeug! Trotzdem ist der arme Mann verkannt worden, da bin ich sicher. Er war ein Freund Trahernes, verstehen Sie? Zwar leider kein Dichter, aber war seine Empfindungsfähigkeit deshalb weniger ausgeprägt?»
«Was meinen Sie damit? Dass Williams
doch
ein Hexer war?»
«War
Traherne
ein Hexer?»
«Natürlich nicht.»
«Wirklich nicht? Sind Sie ganz sicher?»
Merrily wurde es
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