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Frucht der Sünde

Frucht der Sünde

Titel: Frucht der Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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sie zu zwei Zöpfen geflochten, die so dick waren wie Ankerketten. Ihre Miene war ernst.
    «Ah, Mrs.   Watkins. Hätten Sie einen Moment Zeit für mich? In meinem Laden?»
     
    Lol schauderte in der Dunkelheit. Er kauerte in einer Ecke des Speichers und umklammerte seine Knie. Er fühlte sich wie ein Tier, das in seinem Bau zittert. Gejagt.
    Durch ein winziges, vermoostes Oberlicht sickerte grünliches Licht herein. Es verlieh dem Raum eine unirdische Atmosphäre und ließ seine Finger aussehen wie die einer Leiche.
    Obwohl er die Augen kaum von dem trüben Oberlicht abwandte, waren die Bilder, die er sah, strahlend weiß. Der warme weiße Blütensturm im Obstgarten. Die Verwirrung.
    Die Blendung. All dieses Weiß. Und das Mädchen. Er hatte ihre Körperformen nur unklar erkannt, sie hatte ausgesehen wie eine Leiche unter einem Tuch aus weißen Blüten.
    Das Mädchen.
     
    Die Stallungen lagen verlassen da. Die Läden hatten geschlossen. Lucy Devenish sprach erst, als sie die Doppeltür hinter sich geschlossen hatte und Caroline Cassidy sie ganz bestimmt nicht mehr hören konnte.
    «Eine unerträgliche Person. Erzählen Sie ihr nie etwas, das am nächsten Tag nicht die ganze County wissen soll.»
    Merrily sagte: «Lucy, falls es nicht wirklich wichtig ist, könnten wir uns dann vielleicht lieber morgen unterhalten? Ehrlich gesagt, bin ich heute nicht so gut im Denken.»
    Doch offenbar war es wirklich wichtig. «Kommen Sie mit in den Laden.» Lucy Devenish nahm Merrilys Arm und zog sie weiter an den Stallungen entlang. «Bitte.»
    Von der Entfernung wirkte das Ledwardine Lore wie ein altmodisches Obstgeschäft. Erst auf den zweiten Blick erkannte man, dass die Äpfel im Schaufenster nicht echt waren und überall kleine Schmetterlingsgestalten auf ihnen saßen.
    «Kommen Sie rein, Merrily.»
    Die Tür war nicht abgeschlossen, doch der Laden war trotzdem nicht geöffnet und die Beleuchtung ausgeschaltet. Innen war es dämmrig. Der Apfelgeruch überwältigte Merrily geradezu.
    «Hallo, Mom», sagte Jane leise.
     
    Lucy schaltete das Licht nicht an. Als ob sie nicht wollte, dass Merrily Jane zu deutlich sehen konnte.
    Ihr Mädchen saß auf einem Stuhl beim Verkaufstresen. Merrily konnte nicht erkennen, ob Jane lächelte oder ernst war. Überall um sie herum standen und lagen Dinge in Apfelform. Becher, Kerzen, Dekorationsartikel.
    Erleichterung durchflutete Merrily. «Oh Gott», flüsterte sie. «Wo zum Teufel bist du gewesen?»
    Jane sagte nichts. Merrily sah, dass sie einen apfelförmigen Becher in den Händen hielt, dessen Inhalt leicht dampfte.
    Lucy Devenish zog die Tür ins Schloss.
    «Sie war bei mir», sagte sie.
    Merrily drehte sich wütend um. «Und seit wann?»
    «Oh», sagte Lucy. «Den   … ganzen Tag.»
    «Das verstehe ich nicht.» Jane trug immer noch ihre Schuluniform mitsamt dem Blazer und der Krawatte. «Sie sollte in die Schule gehen, verflixt. Was ist los? Was ist ihr passiert?»
    «Ich bin schuld», sagte Lucy schnell. «Ich war gerade bei meinem Morgenspaziergang, und da bin ich leider in Ohnmacht gefallen. In der Blackberry Lane. Wirklich dumm von mir, ich habe gedacht, die frische Luft würde mir guttun.»
    Sie stand mit dem Rücken zur Tür, ihr Gesicht lag im Schatten.
    «Es ist so eine lästige   … Blutdrucksache. Man vergisst eben, wie alt man ist. Ich kann nur sagen: Gott sei Dank war Jane da. Ich habe in der Hecke gelegen, als sie kam, und irgendwie hat sie mich nach Hause geschafft. Und dann hat sie mir Tee gekocht. Und sie hat darauf bestanden, bei mir zu bleiben. Ich habe ihr gesagt, sie soll gehen, aber das wollte sie nicht. Deshalb hat sie dann auch den Bus verpasst.»
    Jane rührte sich nicht.
    «Ich wollte sie in die Schule bringen, aber sie sagte, ich sei nicht fit genug, um zu fahren. Ihre Tochter ist ganz schön dickköpfig.»
    «Sie hätten sie zu mir schicken können», sagte Merrily. «Dann hätte ich sie in die Schule gefahren.»
    «Oh. Na ja. Wenn ich ehrlich sein soll – es tut mir leid, Jane   –, genau deswegen wollte sie ja nicht nach Hause zurück. Sie hat gesagt, sie hätte keine Lust, allen erklären zu müssen, warum sie den Bus verpasst hat.»
    Merrily seufzte. «Ich habe mir wahnsinnige Sorgen gemacht. Als sie nicht mit dem Schulbus zurückgekommen ist   …»
    «Sie hat mir im Laden geholfen. Wir haben einfach vergessen, auf die Uhr zu sehen. Tut mir leid, Merrily.»
    «Ich wünschte nur, jemand hätte mir Bescheid gesagt. Wie geht es Ihnen jetzt, Miss

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