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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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werden.«
    Morange ergriff bewegt die Hand seiner Frau und küßte sie. Er, der Schwache und Gute, empfing von ihr seinen Willen, seinen Ehrgeiz; und er liebte sie dafür um so mehr.
    »Wissen Sie, mein lieber Froment, meine Frau ist ein Schatz. Sie hat Kopf und Herz.«
    Und während Valérie fortfuhr, laut von ihrem Reichtum zu träumen, von der schönen Wohnung, den Empfängen, den zwei Monaten besonders, die sie am Meer verbringen würde wie die Beauchêne, betrachtete Mathieu die beiden und erging sich in Gedanken. Das war nicht mehr der Fall Moineauds, der wußte, daß er nie Minister werden würde. Vielleicht träumte Morange davon, daß seine Frau ihn eines Tages zum Minister machen würde. In einem demokratischen Gemeindewesen kann und will jeder kleine Bürger steigen, es ist ein Gedränge, jeder einzelne wird wild, stößt die andern beiseite, um schneller eine Stufe höher zu gelangen. Diese allgemeine Aufwärtsbewegung, diese Erscheinung der Kapillarität ist nur möglich in einem Lande politischer Gleichheit und ökonomischer Ungleichheit, denn das Recht an das Glück ist hier für jeden dasselbe, und man hat nur nötig, es in einem Kampfe wütenden Egoismus’ zu besiegen, wenn man vor Begierde brennt, von den Genüssen der Vornehmen zu kosten, welche vor aller Augen zur Schau gestellt sind. Ein Volk kann mit einer demokratischen Konstitution nicht glücklich leben, wenn die Sitten nicht einfach und die Lebensverhältnisse nicht fast gleich sind. Sonst entsteht die Ueberfüllung der freien Berufe, die Ausbeutung der öffentlichen Aemter, die Arbeit der Hände wird verachtet, der Luxus und das Wohlleben steigern sich und werden immer mehr zur Notwendigkeit, und es entwickelt sich ein allgemeiner wahnsinniger Sturm auf Macht und Reichtum, welche die Wollust des Genusses verschaffen können, nach dem alles heißgierig verlangt. Und, wie Valerie sehr richtig sagte, man würde sich doch nicht mit Kindern behängen, man wollte die Hände frei haben in einem solchen Kriege, damit man leichter über die Leiber der andern hinwegschreiten könne.
    Dann dachte Mathieu auch an jenes Gesetz der Nachahmung, welches bewirkt, daß die weniger Glücklichen sich noch ärmer machen, indem sie die Glücklichen dieser Welt kopieren. Welches Elend auf dem Grunde dieses heißbegehrten, mit so viel Opfern nachgeahmten Luxus! Alle Arten unnötiger Bedürfnisse wachsen aus dem Boden, ihre Quelle ist verdorben, vom einfach Notwendigen abgelenkt. Es ist nicht mehr richtig zu sagen, daß es ihnen an Brot fehlt, um die Misere dieser Leute auszudrücken. Was ihnen fehlt, das ist das Ueberflüssige, auf welches sie nicht verzichten können, ohne sich ruiniert zu glauben und in Gefahr, Hungers zu sterben.
    Beim Dessert, als das Dienstmädchen nicht mehr da war, wurde Morange offenherzig, von der guten Mahlzeit angeregt; und seiner Frau mit den Augen zwinkernd, indem er auf den Gast deutete, sagte er:
    »Mathieu ist ein verläßlicher Freund, man kann es ihm sagen?«
    Und als Valérie lächelnd mit einem Kopfnicken zugestimmt hatte:
    »Nun, mein lieber Freund, die Sache ist die, daß es leicht möglich ist, daß ich die Fabrik bald verlasse. Oh, es ist noch nicht abgemacht, aber ich denke daran. Ja, ich denke schon seit einiger Zeit daran; denn schließlich fünftausend Franken nach acht Jahren unermüdlicher Arbeit zu verdienen, und vor allem sich sagen zu müssen, daß man nie viel mehr haben wird, das ist um am Leben zu verzweifeln.«
    »Es ist nicht menschenwürdig,« fiel die Frau ein, »es ist um gleich mit dem Kopf gegen die Mauer zu rennen.«
    »Unter solchen Umständen, lieber Freund, ist es besser, sich anderwärts umzusehen, nicht wahr? Sie erinnern sich an Michaud, den jungen Mann, den ich vor sechs Jahren im Kontor unter mir gehabt habe, ein sehr intelligenter junger Mann übrigens. Es sind nun kaum sechs Jahre, daß er von uns fortging, um in die Nationalkreditbank einzutreten, und wissen Sie, was er heute verdient? Zwölftausend Franken, verstehen Sie wohl, zwölftausend Franken!«
    Die Ziffer klang wie ein Trompetenstoß. Das Ehepaar riß vor Erregung die Augen weit auf, und selbst das Kind wurde sehr rot.
    »Diesen März bin ich Michaud begegnet, der mir dies alles erzählte und sich sehr liebenswürdig zeigte. Er bot mir seine Hilfe an, um mich auch in die Bank zu bringen und mir vorwärts zu helfen. Aber es ist ein Risiko dabei, ich müßte mich vorerst mit dreitausendsechshundert begnügen, um dann allmählich zu

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