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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Zeit kleine Anfälle, und sie haben mir versprochen, daß ich nichts mehr spüren werde, wenn erst einmal alles verheilt ist.«
    Was ihr unangenehm war, das war, daß sie ihre Kräfte nicht wiedererlangen konnte. Sie verbrachte den Tag damit, ihre Wohnung in Ordnung zu bringen, hatte immer den Besen in der Hand, war von einer Reinlichkeitsmanie beherrscht, die eine Qual für ihren Mann wurde, der sich nicht rühren, nicht ausspucken durfte, seine kalkbespritzten Schuhe ausziehen mußte, im Augenblick, da er die Schwelle betrat. Dann wusch sie die Kinder, puffte sie wegen der kleinsten Flecke auf ihren Kleidern; und sogleich ermüdet, seitdem sie das Spital verlassen hatte, sank sie auf einen Stuhl, empörte sich, war verzweifelt, daß sie zu nichts mehr tauge.
    »Sie sehen, Madame, nach zehn Minuten habe ich genug,« fuhr sie fort, ihren Besen fahren lassend und sich niedersetzend. »Nun, ich muß eben Geduld haben, da sie mir versprochen haben, daß ich stärker als früher sein werde.«
    Diese Einzelheiten interessierten Sérafine sehr wenig, die nur von einem Gedanken beherrscht war, ohne daß sie bisher eine anständige Form gefunden hätte, in der sich die heikle Frage stellen ließ. Endlich entschloß sie sich unverblümt zu sprechen, indem sie Bénard mit ihrer ruhigen Unverschämtheit ansah.
    »Nun, ein Mann ergibt sich noch darein, keine Kinder zu haben; aber es geht schief, wenn er kein Vergnügen mehr zu Hause findet und seine Frau ihm nichts mehr bieten kann; das ist das größte Unglück, das eine Ehe treffen kann.«
    Der Maurer begriff und brach in lautes Lachen aus.
    »O Madame, was das betrifft, so habe ich mich nicht zu beklagen. Wenn ich ihr nachgäbe, seitdem sie mir sie wieder nach Hause geschickt haben, so würde es mit dem Vergnügen gar kein Ende finden.«
    Schamrot und wütend hieß Euphrasie ihn neuerdings schweigen, als anständige Frau, die schlüpfrige Reden nicht leiden mochte. Und Sérafine, die ebenfalls lachte, hocherfreut von der Auskunft, wollte, da sie endlich wußte, was sie zu wissen wünschte, sich eben erheben, um Abschied zu nehmen, als die Moineaude, die bis nun stumm und schläfrig dagesessen hatte, wie von dem Gespräch weit zurückgelassen, langsam und unaufhörlich zu sprechen begann. »Es ist wahr, daß deine arme dumme Mutter sich dazu hergegeben hat, eine Schar Kinder zu kriegen. Und sie bedauert es auch nicht, da es ihrem Manne Vergnügen gemacht hat. Aber trotzdem haben sie beide, er und sie, nicht viel Gutes davon. Er plagt sich immer noch in der Fabrik, wo er jetzt allein arbeitet, seitdem Victor Soldat geworden ist, um vielleicht in irgendeinem Winkel zu sterben wie unser Eugène. Von unsern drei Jungen ist jetzt nur noch einer zu Hause, der jüngste, dieser Nichtsnutz von einem Alfred, der die Schule schwänzt, so oft er kann, von früh bis abend auf der Straße herumlungert und mit sieben Jahren schon mehr verdorben ist, als man es früher mit fünfzehn war. Ebenso habe ich von unsern vier Mädchen nur noch Irma, die noch zu jung ist, um zu heiraten, und wegen der ich zittere, daß sie eines Tages schlecht wird, so ungern arbeitet sie. Du bist beinahe gestorben. Jetzt ist Cécile auch ins Spital gekommen. Und was diese unglückliche Norine betrifft …«
    Sie schüttelte trostlos den Kopf. Dann fuhr sie in ihrer endlosen Klage fort, kam auf jedes einzelne ihrer Kinder zurück, verweilte bei den spärlichen Freuden, die sie von ihnen gehabt, beklagte auch den Vater, der seit bald fünfundzwanzig Jahren wie ein Pferd in der Tretmühle arbeite, ohne eine andre Freude von ihnen zu erleben, als sie gezeugt zu haben. Und die armen Kleinen selbst, die nun aus dem Neste ausgeflogen, seien auch nicht glücklicher als ihre Eltern, brächten nun ihrerseits Kinder hervor, die wiederum nicht glücklicher sein würden. Und da sie abermals auf Norine zu sprechen kam und dabei weich wurde, unterbrach sie Euphrasie heftig.
    »Du weißt, Mutter,« rief sie, »daß ich dir verboten habe, ihren Namen vor mir auszusprechen. Sie ist unsre Schande, ich würde sie ohrfeigen, wenn ich ihr begegnen würde. Man hat mir erzählt, daß sie wieder ein Kind gehabt hat, und Gott weiß, was sie damit getan hat. Wenn einmal der Tunichtgut von Irma schlecht wird, so wird sie sich nur an Norine ein Beispiel genommen haben.«
    Ihr ganzer alter Haß gegen ihre ältere Schwester, das schöne und üppige, genußsüchtige Mädchen, erwachte in dieser mageren und dürren Hausfrau, die alle Leute ihrer

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