Fruchtbarkeit - 1
Modell einer neuen Mähmaschine zu sehen, fand er weder Constance noch Maurice zu Hause; sie waren tags vorher mit Beauchêne ans Meer, an die Küste von Houlgate gefahren, und Beauchêne sollte, nachdem er sie dort untergebracht hatte, am darauffolgenden Montag zurückkehren. Und nachdem Mathieu die Maschine besichtigt hatte, deren Werk ihm nicht gefiel, konnte er nur noch hinaufgehen, um dem guten Morange die Hand zu drücken, der Sommer und Winter in seinem Bureau an seinen Büchern saß.
»Ah, sehr liebenswürdig von Ihnen, daß Sie nicht hierher kommen, ohne mir guten Tag zu sagen. Wir kennen uns ja nicht von gestern.«
»Gewiß nicht. Und Sie wissen, daß ich Ihnen aufrichtig zugetan bin.«
Es war ein ruhig gewordener, dem Leben wiedergegebener Morange, der wieder lachen konnte wie in den guten Tagen. Von dem schrecklichen Tode seiner Frau hatte er nur eine vermehrte Gemütsweichheit zurückbehalten, war sehr leicht zu Tränen gerührt, gutherziger und furchtsamer als je. Mit sechsundvierzig Jahren ganz kahl geworden, pflegte er wieder seinen schönen Bart, auf den er stolz war. Und Reine allein hatte das Wunder vollbracht, dieses Kind, das ihm ein neues, glückliches Leben schuf, in der er jedes Jahr, je mehr sie wuchs, desto mehr die so beweinte Tote wiederfand. Nunmehr, mit zwanzig Jahren, war Reine Valérie selbst, wie sie gewesen war, als er sie geheiratet hatte, in all ihrer jungen Schönheit wiedererstanden, wie durch ein Wunder, um ihn mit ihrer Zärtlichkeit zu trösten. Seither war das Gespenst der Toten, der schrecklichen Toten auf dem blutgetränkten armseligen Lager, verschwunden, verdrängt durch diese strahlende Auferstehung voll Liebreiz und Fröhlichkeit, die das Haus erfüllte. Er hatte aufgehört, bei dem leichtesten Geräusch zu zittern, bewahrte von seinen Gewissensbissen nur noch einen dumpfen Druck auf dem Herzen, einen schlummernden Schmerz, der nicht von Entsetzen erweckt wurde. Er war dazu gelangt, Reine mit einer wahnsinnigen, unendlichen Liebe zu lieben, die aus jeder Art Liebe zusammengesetzt war. Seine Jugend kehrte wieder, es schien ihm, als habe er gestern geheiratet, er lebte wieder mit der teuern Frau, die ihm durch die göttliche Verzeihung des Schicksals in ihrer Jungfräulichkeit wiedergegeben war, um ihn aufs neue zu lieben. Und alle diese Leidenschaft galt einem geheiligten Wesen, das er nicht berühren durfte, aus dem er eine unnahbare Göttin machte, vor der er anbetend kniete.
»Wenn Sie liebenswürdig sein wollen,« sagte er, »so essen Sie mit mir. Sie wissen nicht, daß ich seit gestern abend Witwer bin.«
»Wie das, Witwer?«
»Nun ja. Reine befindet sich für drei Wochen in einem Schlosse im Departement Loiret. Die Baronin de Lowicz hat mich gebeten, sie ihr auf einen Besuch zu Freunden mitzugeben. Und ich habe schließlich eingewilligt, als ich sah, wie das liebe Kind vor Begierde brannte, in Wald und Feld herumzuschweifen. Sie, die ich nie weiter geführt habe, als bis nach Versailles, denken Sie einmal! Trotzdem war ich stark versucht, nein zu sagen.« Mathieu lächelte.
»Oh, einem Wunsche Ihrer Tochter zu widerstehen, das sind Sie nicht imstande!«
So war es auch. So wie einst Valérie als unbestrittene Königin im Hause geherrscht hatte, so war nun Reines Wille der allmächtige Einfluß geworden, dem er gehorchte. Hilflos geworden durch den Tod seiner Frau, verloren und ohne Stütze, hatte er seinen Frieden und die Gesundheit wohl vornehmlich dadurch wiedergefunden, daß ihn wieder eine geliebte Gefährtin beherrschte und lenkte, ihn mit dem einzigen Wunsch erfüllte, sich zu unterwerfen und ihr zu gefallen. Er lebte denn auch nur für sie.
»Sie wird verheiratet zu Ihnen zurückkehren,« sagte Mathieu mit einiger Bosheit, denn er kannte die Gefühle des Vaters in dieser Hinsicht.
Moranges Gesicht verdüsterte sich, er wurde unruhig.
»Ich hoffe, nein, ich habe es der Baronin ans Herz gelegt. Reine ist noch ein Kind, und sie besitzt noch nicht das Vermögen, das ich ihr geben will, damit sie einen Mann bekommt, der ihrer würdig ist. Ich arbeite daran, eines Tages wird es sich zeigen … Nein, nein! Sie liebt mich zu sehr, sie wird mir nicht den Schmerz antun, sich zu verheiraten, ohne daß ich es ihr erlaube. Und sie weiß, daß der Augenblick noch nicht gekommen ist, daß ich diesmal daran sterben würde, wenn mein Traum sich nicht erfüllen sollte, all das Glück, das ich mir mit meiner armen Frau versprochen hatte, an meiner teuern Tochter zu
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